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Anna Fischer

© - Foto: Doris Spiekermann-Klaas

Interview: „Ich komm’ hier nicht weg“

Anna Fischer, 21, ist Schauspielerin und Sängerin der Rockband "Panda". Ein Gespräch über Berlin.

Am Kranzlereck, 10 Uhr morgens. Stadtrundfahrt mit Anna Fischer, wir wollen über Berlin sprechen. Was passt da besser als eine Stadtrundfahrt? Anna steht mit einem Tee im Pappbecher an der Haltestelle des Busses. „Morgen!“, sagt sie munter. Rauf aufs offene Dach und die Fahrt geht los.

Anna, du bist in Berlin geboren, lebst hier. Hast du mal eine Stadtrundfahrt gemacht?

Nein, nie. Noch nicht einmal mit Verwandten oder Freunden. Das ist heute meine Premiere. Es ist lustig: Manchmal habe ich das Gefühl, Touristen wissen mehr über diese Stadt als wir, die hier täglich wohnen und arbeiten.

Wie stehst du zu deiner Geburtsstadt?

Oh, mich verbindet eine Hassliebe.

Aha. Und was für Attribute fallen dir ein, wenn du an Berlin denkst?

Da muss ich überlegen. Vielleicht: Baustellen, Liebe, Menschen und viel Party.

Und wie riecht Berlin?

Sehr sauber, also international gesehen. In Berlin stinkt kaum etwas.

Hat sich Berlin denn in den letzten Jahren zu einer sauberen Stadt entwickelt?

In jedem Fall zu einer sanierteren. Und zu einer Stadt voller Polizei. Dadurch fühlen sich manche sicherer – ich fühle mich gestörter. Gerade bei mir in Friedrichshain kann man noch nicht mal ausparken, ohne der Polizei zu begegnen.

Was nervt dich denn noch in Berlin?

Das Ordnungsamt. Ich kann nicht verstehen, wie man denen so viel Macht geben kann. Ich fühle mich gestört, weil man sich nur noch überprüft und überwacht fühlt. Und klar gibt es Fälle, die geklärt werden sollten, aber die kümmern sich um so viel Kleinvieh. Das nervt, mich jedenfalls. Berlin wird immer mehr zu einer Stadt, in der man sich immer weniger traut. Berlin ist zu ordentlich geworden.

Findest du, dass sich das in den letzten Jahren sehr verändert hat?

Ich glaube schon. In meiner frühen Jugend konnten wir in Prenzlauer Berg wilde Partys auf den Dachböden feiern. Es gab Straßenzüge, da konnte man von Dachboden zu Dachboden springen, und es hatte alles noch etwas Verruchtes an sich, weil eben alles unsaniert war. Heute geht es doch immer mehr darum, dass alles modernisiert und topsaniert wird. Und es hat sich auch sozial verschärft. Es sind viele Leute hier, die über Geld verfügen und Häuser kaufen und viel investieren, und es gibt viele Berliner, die von Hartz IV leben. Das ist doch ein Ungleichgewicht, oder?

Wir fahren über den Ku’damm. Der Stadtführer am Mikro wird lauter: „Guten Morgen, meine Damen und Herren. Guten Morgen Anna Fischer! Die machen dort hinten ein Interview. Wir haben heute eine ganz bekannte Schauspielerin an Bord. Seid nett, und vielleicht bekommen Sie auch ein Autogramm.“ Anna rutscht den Sitz hinunter und sagt: „Oh Gott, wie peinlich!“

Wir fahren ja gerade über den Ku’damm …

… und es gibt zwei Dinge, die ich wirklich nicht mag. Das ist Sightseeing und der Ku’damm. Eine perfekte Mischung heute.

Warum?

Die Häuser sind anders, hier stehen nur die Konsumtempel und die Leute sind anstrengend. Alles ist so eng und nur voller Reisegruppen.

Aber das hat man doch im Ostteil der Stadt auch: Hackescher Markt, Simon-Dach-Straße in Friedrichshain oder die Kastanienallee.

Klar. Dort nervt es auch. Die Simon-Dach-Straße wird immer mehr zum Ku’damm. Enger, lauter, schicker und verliert damit einfach verdammt viel vom alten Charme. Aber das hier ist noch weniger mein Ding.

Du bist in Ost-Berlin, in Hohenschönhausen, geboren. Spielt bei uns, in der jungen Generation, der Ost-West-Unterschied noch eine Rolle?

Es wird auf jeden Fall noch darüber gesprochen und es gibt auch ’ne Menge Ossi- und Wessi-Witze. Bei uns ist das Thema aber eher lustig gemeint. Wir führen hier in Berlin keinen Kulturkampf mehr. In der älteren Generation zählen die Unterschiede mehr, und das kotzt mich an. Es sollte echt keine Rolle mehr spielen. Aber den Kulturkampf gibt es ja nicht nur zwischen Ost und West. Schau dir mal München-Berlin an.

Der rote BVG-Doppeldecker lässt das Botschaftsviertel und den Potsdamer Platz hinter sich. Anna sagt : „Ey, hier bin ich so selten, das ist total komisch.“

Hohenschönhausen gilt gemeinhin als Ort alltäglicher Langeweile am Rande Berlins.

Das hört man oft, und das ist auch irgendwie so. Aber ick muss ganz klar sagen, dass da auch eine Menge läuft. Ich habe früher in Hohenschönhausen eine Menge guter Partys erlebt.

Aber du bist trotzdem nach Friedrichshain gezogen.

Ja, weil ich das auch sehr mag. Aber ich bin immer wieder gerne in Hohenschönhausen, echt. Und mich nervt dieses Schlechtreden – als wenn nur Mitte und Prenzlauer Berg okay wären. Is’ aber nicht so.

Sie gilt als eine, die einem alles ins Gesicht sagt. Doch im Gespräch ist Anna ziemlich sanft. Ganz anders als in ihrer Musik.

Du hast vorhin von einer Hassliebe gesprochen. Gäb’s eine Alternative zu Berlin?

Ich würde gerne weg. Hamburg wäre ein Kompromiss. Köln auch. In München ist mir nur Scheiße passiert. Und auch sonst ist es in Deutschland schwierig. Im Ausland ist es schon einfacher: Barcelona finde ich Hammer oder Lissabon. Aber die sind eben nicht wie Berlin. Und Berlin liebe ich. Ich komm’ hier nicht weg.

Der BVG-Bus kommt am Brandenburger Tor an und wir wollen Zigaretten kaufen. In ihrem bissigen Berlin-Song „Hierbleiben“ heißt es an einer Stelle: „Überall nur noch Stylomaten, aber keine Zigarettenautomaten.“ Das stimmt. Wir laufen Unter den Linden lang, bis zur Friedrichsstraße. Dort ist der erste Kiosk, der Zigaretten verkauft. „Ey, ick habe recht“, sagt sie lächelnd.

Abschlussfrage: Euer Album, das nächsten Freitag erscheint, heißt „Tretmine“. Ist das typisch Berlin?

Ja, auf jeden Fall. Berlin und Hundekot gehören irgendwie zusammen. Aber vor kurzem haben ein Freund und ich eine kleine Kunstaktion machen wollen: Panda-Fähnchen in Hundehaufen. Wir sind durch ganz Friedrichshain gelaufen und mussten feststellen: Es ist echt wenig Hundescheiße unterwegs.

Ric Graf war mit Anna Fischer auf Stadtrundfahrt durch Berlin.

DIE SCHAUSPIELERIN Anna Fischer spielte schon mit August Diehl und Herbert Knaup, gewann den Max-Ophüls- Preis für den Fernsehfilm „Liebeskind“ und den Nachwuchspreis der Goldenen Kamera 2007. Vor kurzem hat sie den Film „Fleisch ist mein Gemüse“ gedreht.

DIE BAND

Zufällig auf einer Party. Nach einer Jamsession war klar: Das passt. Und alles ging ganz schnell. Tour mit Maximo Park und Rosenstolz, musikalische Zusammenarbeit mit Rod von den Ärzten. Nächste Woche erscheint von Panda das erste Album „Tretmine“.

DAS KONZERT

Morgen spielen Panda beim „Rosi’s-Open-Air“ in Friedrichshain (nahe S-Bahnhof Ostkreuz – siehe unten: Verlosung). Ab 16 Uhr geht es los. Am 17. September spielen Panda dann im Magnet.ric

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