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Frau-Jude

© Doris Spiekermann-Klaas

Junge Juden (II): Ich will nach Israel

11 000 Juden leben in Berlin. Stellen wir doch einfach mal zwei von ihnen vor. Zum Beispiel Siwan, 18. Wir trafen sie zum Frühstück.

Um die Jüdische Oberschule in der Großen Hamburger Straße in Mitte ist ein hoher Zaun gezogen, vor dem Eingangstor stehen Polizisten. „Wir üben hier weniger Feueralarme als Terroralarme“, sagt Siwan Dub, 18, die gegenüber im Café beim Frühstück sitzt. „Es kann immer was passieren“. Klar, 800 antisemitische Straftaten gab es in diesem Jahr bereits, gerade wurden Juden im Auto auf dem Ku’damm angegriffen. Wie solche Nachrichten auf sie wirken? „Schrecklich“, sagt Siwan und stochert in ihrem hartgekochten Ei. Sie sagt das nicht ängstlich und nicht leise. Nur ernst.

Sie vermisst die Wärme in Berlin, nicht nur meteorologisch

Es gar nicht so, dass Siwan sich in Deutschland nicht wohlfühlen würde. Freunde von ihr hatten schon Probleme, weil sie Juden waren, sie selbst aber noch nie. Trotzdem, sie vermisst die Wärme in Berlin. Und das ist nicht nur meteorologisch gemeint. Siwan macht bald Abitur und will danach sofort nach Israel gehen, zum Studieren, Politik. „Israel ist meine richtige Heimat“, sagt Siwan, „auch wenn ich in Deutschland geboren bin.“ Sie ist mindestens zwei Mal im Jahr dort, ihre Mutter hat neun Geschwister, da gibt es immer irgendein Familienfest. Israel, das sei so etwas wie eine große Familie, sagt Siwan. „Egal, wem man begegnet, man hat einen Bezug zueinander.“ Deutschland sei dagegen eher kühl.

Siwan hat viele nichtjüdische Freunde, ein Drittel ihrer Mitschüler sind keine Juden. Im Freundeskreis wird viel über Politik diskutiert, „eigentlich immer, wenn wir uns sehen“. Wirkliche Konflikte gibt es da aber keine, höchstens mal hitzige Diskussionen, weil Israel für Siwan ein besonders emotionales Thema ist. Ihr Großvater hat mehrere Konzentrationslager überlebt, Auschwitz, Majdanek. Über seine Erfahrungen hat er nie viel geredet. Doch Siwan hat dieses Gefühl: „Israel ist ein Ort, der einen immer aufnimmt, was immer auch passiert.“ Dafür ist es chaotisch dort, sagt sie, „immer ist irgendwie Krieg“. Das schweißt die Menschen zusammen. Deutschland ist dagegen geordneter, das mag sie. Wenn sie mal Kinder hat, sollen die hier aufwachsen.

In Israel aber, das sei "immer irgendwie Krieg"

Religiös ist Siwan nicht besonders. Manchmal trägt sie einen Davidstern um den Hals – „wenn er zu meinem Outfit passt“. Sie lacht hell. Manchmal zieht sie Sweatshirts mit jüdischen Symbolen darauf an – auch wenn sie in Kreuzberg oder Marzahn unterwegs ist. Siwan ist gläubig, aber im Alltag nicht sehr religiös. „Eigentlich mache ich alles, damit sich meine Mutter nicht aufregt.“ Erwischt! Na ja, sagt sie, es sei schließlich ziemlich schwierig, orthodox zu leben. Einige Regeln befolgt sie aber: Sie isst koscher, zu hohen Feiertagen geht sie in die Synagoge, von Freitag- bis Samstagabend bleibt der Computer aus, „ich lerne auch nicht am Sabbat“. Das Licht schaltet sie aber an. Den Fernseher auch. Schließlich gibt es immer Neuigkeiten aus Israel. Jan Oberländer

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