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Panorama: Streiten, reden – ohne Fäuste

Grundschüler profitieren vom „Sozialen Lernen“

„Ich kann andere zum Lachen bringen“, sagt Achmed, „ich gut lesen“, meint Jessica, und Aylin, „ich kann gut zuhören und Geheimnisse für mich behalten“. Alisa fällt nichts ein. Die Schüler der fünften Klasse der Neuköllner Franz-Schubert-Schule machen sich im Unterrichtsfach „Soziales Lernen“ Gedanken über ihre persönlichen Stärken. Nicht allen ist bewusst, was sie gut können und welche Fähigkeiten sie besitzen.

Anschließend geht es um ihre Schwächen. Dazu zählen viele Schüler schlechte Leistungen in der Schule, Verstöße gegen Regeln. Um zu veranschaulichen, dass beide Seiten miteinander verbunden sind, verteilt Lehrerin Mechthild Ripper Bögen mit dem Kreissymbol Ying und Yang und lässt die Schüler ihre Stärken auf die eine und Schwächen auf die andere Seite schreiben. Wie sie Fähigkeiten verbessern können, ist Thema der nächsten Stunde. Die Übung dient dazu, das Selbstwertgefühl und das Selbstvertrauen der Schüler zu stärken.

„Die Schüler erfahren dabei ihre eigenen Fähigkeiten wertzuschätzen, mit ihren Schwächen umzugehen, Vertrauen zu entwickeln und auch anderen Anerkennung zu geben“, berichtet die Lehrerin, die das Curriculum für „Soziales Lernen“ mitgestaltet und mit einem Kollegen des Schülerclubs neu verfasst hat. Mit Übungen und Rollenspielen lernen Schüler dabei, sich selbst und andere wahrzunehmen, mit ihren Gefühlen umzugehen, Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen zu akzeptieren und sich mit Vorurteilen auseinanderzusetzen. Ebenso geht es um Kommunikation, um das Verwenden einer Sprache, die andere nicht verletzt, sowie darum, kritikfähig zu sein. Ziel des „Sozialen Lernens“ ist es, den Schülern bis zum Ende der sechsten Klasse zu vermitteln, wie sie Konflikte gewaltlos und konstruktiv bewältigen können.

Bereits vor elf Jahren hat die neben der Rütli-Schule gelegene Grundschule das Fach eingeführt, weil sie etwas gegen die Gewalt unter Schülern tun wollte. Lehrer, Eltern und Pädagogen des Schülerclubs Arche machten sich dafür stark. Das Fach wurde von der Schulaufsicht genehmigt. Seitdem wird in den Klassen eins bis vier pro Woche eine Deutschstunde in „Soziales Lernen“ umgewandelt und in den fünften und sechsten Klassen eine Stunde aus dem Stundenpool. Das Konzept hat sich bewährt. Die Pausen verlaufen friedlich, die Schüler lösen Streitereien untereinander oder gemeinsam mit den Streitschlichtern der Schule. Finden sie keine Lösung, holen sie sich Hilfe im Schülerclub oder wenden sich an einen Lehrer.

„Das Klima hat sich durch ,Soziales Lernen’ deutlich verbessert“, sagt Schulleiterin Ulrike Banach. Es gebe seitdem viel weniger gewaltsame Konflikte. Wer sich der Gewaltproblematik stelle, finde auch Möglichkeiten, etwas zu ändern. Sie plädiert dafür, das Fach an allen Schulen mit Gewaltpotenzial zu unterrichten. Seit der Einführung entwickelt das Kollegium der Neuköllner Grundschule den Lehrplan kontinuierlich weiter. Bewährte Spiele und Übungen werden beibehalten.

Um Konflikte zu vermeiden, ist es entscheidend, die Ursachen zu klären. „Häufig entladen sich in der Schule die Probleme, die Kinder im Elternhaus haben“, berichtet Lehrerin Ripper. Wie Konflikte entstehen und gelöst werden können, müsste immer wieder thematisiert werden. Schließlich würden die Schüler auch besser lernen, wenn sie den Kopf frei haben.

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