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Panorama: Tafelrunde

Alle Berliner Grundschulen bieten jetzt Mittagessen an. Wir haben drei Küchen besucht

Zu Hause geht das nicht. Essen für alle, ökologisch unbedenklich, vollwertig, abwechslungs- und vitaminreich, so dosiert, dass keiner Hunger schiebt – und das dann für 1,85 Euro pro Nase? In den Berliner Schulen muss dieser kaufmännische Spagat gelingen, damit einerseits die Kinder Spaß am Mittagessen haben und ihre Eltern andererseits nicht wegen zu hoher Kosten abwinken. Seit den Sommerferien läuft dieses Abenteuer auf vollen Touren, und ein gutes Dutzend Anbieter vom Konzernableger bis zur Kiezküche konkurriert um die Gunst von Eltern, Lehrern und Kindern. Was ist dabei möglich – und was geht nicht?

Wer wie kocht, hängt zum großen Teil vom Schulleiter ab. Die Verwaltung zieht grundsätzlich große Firmen mit standardisierten und zertifizierten Angeboten vor, doch es gibt einen gewissen Spielraum. Erhard Laube, der Chef der Spreewald-Grundschule am Winterfeldtplatz in Schöneberg, nutzt ihn, so weit es geht. Im vergangenen Jahr hat ein Großanbieter die Kinder versorgt – der ist weg vom Fenster. Zu viele Probleme, sagt Laube, „wir wollen kein Essen mit Geschmacksverstärkern und Konservierungsstoffen, sondern alles so frisch und unverfälscht wie möglich.“ Sogar genveränderte Produkte seien schon in der Schule aufgetaucht, sagt er, und verstecktes Schweinefleisch, obwohl Schwein grundsätzlich nicht vorkommen sollte. Die Eltern am Winterfeldtplatz sind bei solchen Sachen empfindlich, und so konnte Laube ihnen die Offerte der Firma „Luna“ schmackhaft machen, die in der blitzblanken neuen Profiküche an Ort und Stelle kocht, keine vorgefertigten Nahrungsmittel verwendet und nur im Ausnahmefall Tiefkühlware. „Der Bio-Anteil am Gemüse liegt bei mindestens zehn Prozent“, heißt es in der Verpflichtung; ganz und gar Bio wäre besser, sagt Laube, aber das hätte den Preis auf etwa 2,20 Euro getrieben, zu viel für viele Eltern. „Uns ist wichtiger, dass es frisches Gemüse gibt“, sagt er.

Doch auch in der Art, wie die Kinder essen, nimmt die Spreewald-Schule eine eigenwillige Position ein, betrachtet auch das Essen als soziales Lernen. Die junge Köchin gibt das Essen aus Behältern in kleine Schüsseln, die von den Erziehern auf die Tische gestellt werden. Dort nehmen sich die Kinder, was sie mögen, warten, bis alle versorgt sind, bevor sie essen. Konsequent gibt es täglich nur ein Gericht. An diesem Tag ist ein Klassiker dran, Spinat mit Kartoffeln und Rührei. Spinat, eine Ausnahme, darf als Tiefkühlprodukt eingesetzt werden, die Kartoffeln sind Bio-Ware und frisch gekocht. Den Kindern schmeckt es.

Die E.-O.-Plauen-Schule in der Kreuzberger Wrangelstraße liegt an einer Stelle, die als sozialer Brennpunkt gilt. Dafür gehört sie zu den Grundschulen, die baulich weitgehend vorbereitet sind auf den Ganztagsbetrieb. Es gibt zwei gut eingerichtete Mensa-Räume, und das Essen kommt vom Groß-Caterer Sodexho, der ein paar Minuten entfernt in der Hunsrück-Schule eine große Küche betreibt, die Speisen hierher liefert und von zwei Mitarbeitern austeilen lässt. Schulleiterin Hannelore Kleemann ist zufrieden mit diesem Prinzip, das nach klassischer Kantine aussieht. Die Kinder stellen sich vor dem Tresen an, sie können zwischen zwei Gerichten wählen und balancieren dann mit dem überdimensionierten Tablett über den Gang in den Speisesaal. Paniertes Putenschnitzel mit Spätzle gibt es, dazu Orangensaft und ein Stück Gurke, alternativ vegetarischen Möhreneintopf mit Brötchen. Fürs Auge wird frische Petersilie draufgestreut.

Der Speiseplan verrät, wo möglicherweise Kompromisse gemacht werden: Durchnummeriert von 1 bis 10 stehen da die Zusatzstoffe – im August-Programm kommen aber nur zwei vor, nämlich Konservierungsmittel und Antioxidantien, die in Geflügelwürsten und Schinkennudeln stecken. 90 Portionen werden zurzeit täglich ausgeteilt. „Wir hatten nach dem Start einen deutlichen Rückgang“, berichtet die Schulleiterin, „das lag offenbar daran, dass die Kinder und die Eltern viele Dinge nicht verstanden haben.“ Seit eine türkische Servicekraft das Essen verteilt, Einzelheiten erklärt und darauf achtet, dass die Kinder Gemüse nicht verschmähen, hat sich das wieder gebessert. Auf dem Speiseplan ist ein leichter orientalischer Einschlag erkennbar, es gibt rote Linsensuppe oder Türlü, türkisches Ratatouille, aber das bleibt eher die Ausnahme. „Wir haben ja nicht nur türkische Kinder hier“, sagt Hannelore Kleemann.

Die Kreuzberger Charlotte-Salomon-Schule hat Pech gehabt im Bau-Roulette, das der Ausrufung der Ganztagsschule folgte. Der Mensa-Bau ist nicht fertig geworden, und so drängeln sich die Kinder zum Essen vorübergehend im ehemaligen Vorklassenraum. Zwei Mitarbeiter der Firma „Schildkröte“ haben das Essen auf einem schmalen Schrank in zwei Warmhaltebehältern aufgebaut, aus denen es entweder pürierte Kartoffel-Gemüse-Suppe gibt oder Eierkuchen mit Apfelmus. Weiteres Gemüse ist nicht zu sehen, was bei den Erwachsenen leichtes Stirnrunzeln auslöst. „Für meine Kinder würde ich mir da schon ein wenig mehr wünschen“, sagt eine Lehrerin – allerdings hat hier auch alles eben erst begonnen, während die anderen Schulen schon ein Jahr Erfahrung sammeln konnten. Schulleiterin Rosemarie Stetten visiert ein ähnliches Konzept an wie Erhard Laube, auch hier sollen die Kinder sich aus Schüsseln selbst bedienen können. Doch das ist im Provisorium nahezu unmöglich, und so bleibt es zunächst beim einfacheren Austeilsystem. „Schildkröte“ ist ein Anbieter mittlerer Größe. Er deklariert sechs mögliche Zusatzstoffe auf dem Speiseplan, setzt aber ebenfalls nur selten einige davon ein.

Es ist eine Probezeit für alle, die am Abenteuer Schulessen beteiligt sind – hungrig muss freilich schon jetzt kein Kind nach Hause gehen.

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