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Panorama: Versprechen statt Überwachen

Wie Schüler sich selbst Regeln geben und befolgen

„Wir halten uns an das Schulversprechen, weil es von uns kommt“, sagt Adham El-Khaled. Der 18-Jährige ist Schulsprecher der Tempelhofer Werner-Stephan-Hauptschule. Dort können die Schüler die Spielregeln mitgestalten und Verantwortung übernehmen.

Und das geht so: Ein paar Wochen nach den Sommerferien treffen sich die 36 Schülervertreter bei ihrem Vertrauenslehrer Reiner Haak zu Hause. Im Wohnzimmer machen sie sich Gedanken über die Regeln, die sie für ein gutes Schulklima wichtig finden. Zum Beispiel, dass alle Schüler gleich behandelt und respektiert werden. Das ist für die Zehntklässlerin Sandy Blaszczyk besonders wichtig. Nach einer Stunde sind mehrere Listen mit vielen Punkten fertig: „Ich unterlasse das Rauchen während der Schulzeit“, steht da drauf oder: „Ich fange keinen Streit und keine Prügelei an“, „Ich nehme keinen Drogen, Waffen oder rechtsradikale Sachen mit in die Schule“. Geregelt wird auch, dass im Unterricht Handys ausgeschaltet bleiben, dass Toiletten sauber verlassen werden, fremdes Eigentum nicht ohne Erlaubnis benutzt wird. Während die Lehrer in der Küche das Frühstück vorbereiten, einigen sich die Schülervertreter im Garten auf die wichtigsten Punkte: Das Schulversprechen für das laufende Schuljahr steht.

Damit alle Schüler hinter ihrer Schulordnung stehen, tragen die Klassensprecher das zu leistende Versprechen in den Klassen vor und diskutieren mit ihren Mitschülern. Sind alle einverstanden, wird es unterschrieben und in den Klassenzimmern aufgehängt.

Dass die Schüler ihr Versprechen einhalten, darauf achtet der neu ins Leben gerufene Schülerrat, bestehend aus elf Schülern der neunten und zehnten Klassen. Gemeinsam mit Lehrern übernehmen sie auch die Aufsicht in den Pausen und in der Cafeteria. Jeden Monat berät sich der Schülerrat mit den Vertrauenslehrern über das Schulklima. Bei groben Verstößen gegen das Versprechen, etwa wenn Mitschüler erpresst oder beleidigt werden, macht der Schülerrat die Betroffenen auf ihr Fehlverhalten aufmerksam und sucht nach Lösungen. Die können so aussehen, dass als Wiedergutmachung Schulräume gestrichen werden oder in einem Seniorenheim Sozialdienst geleistet wird.

Am Ende des Schuljahres trifft man sich erneut bei Lehrer Haak. Beim Grillen wird darüber gesprochen, ob das Schulversprechen gewirkt hat und ob die Klassensprecher ihre Aufgaben erfüllt haben. „Seit die Schüler die Regeln mitbestimmen können, achten sie mehr auf sich und das Gebäude und gehen dazwischen, wenn ein Schüler beleidigt wird“, sagt Lehrerin Bianka Hantel. Außerdem würden die Schüler durch mehr Verantwortung mehr Selbstbewusstsein bekommen. Eine schlechte Mathearbeit sei für einen Schüler besser zu verkraften, wenn er ein erfolgreicher Streitschlichter und Vorbild für andere Schüler ist.

„Ein Siebtklässler, der einen anderen mit einem Fußball abgeschossen hat, macht heute Hofaufsicht und achtet darauf, dass so etwas nicht mehr passiert“, berichtet Reiner Haak. Das sei viel wichtiger, als wenn ein Lehrer darüber wacht. Denn Lehrer, so Haak, hätten gerade an Hauptschulen immer weniger Einfluss auf das Verhalten der Jugendlichen.

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