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Panorama: Was ist Wahrheit?

Schulsenator KlausBöger hat gelernt, dass es oft zwei Versionen der gleichen Geschichte gibt

Ich bin in einer hessischen Kleinstadt vier Jahre in die Volksschule und dann ins Gymnasium gegangen. Geprägt hat mich vor allem ein belesener, älterer Deutschlehrer, der 1955 aus der Kriegsgefangenschaft gekommen war. Er hat uns für Philosophie, Psychoanalyse und Theater begeistert. Mit Requisiten aus dem Fundus in Kassel haben wir zum Beispiel Christian Dietrich Grabbes „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“ gespielt, mit mir als dem Schulmeister.

Mit unseren Stücken sind wir auch über Land gefahren und aufgetreten. Und das Tolle war: Ich konnte dann gleich selbst journalistisch tätig werden und in der „Oberhessischen Volkszeitung“ über unsere Auftritte schreiben – für ein Zeilenhonorar von 30 Pfennig. Neben der Schule habe ich auch gearbeitet: als Gerichtsreporter beim Amtsgericht. Dort erlebte ich zum ersten Mal, wie zwei Parteien denselben Sachverhalt völlig gegensätzlich darstellten. Diese Fragen habe ich in den Unterricht getragen, wo wir leidenschaftlich diskutiert haben: Was ist Wahrheit? Wie frei ist der Mensch in seinen Handlungen?

Das Idol meiner Schulzeit war John F. Kennedy: Zivilcourage war sein und dann mein Thema in Deutschaufsätzen. Beeindruckt hat mich auch ein junger Studienassessor, der mit uns einen politischen Arbeitskreis gründete. Zur Deutschen Frage luden wir sogar die Botschaftsräte der vier Siegermächte ein – und sie kamen. Eine tolle Sache damals in einer hessischen Kleinstadt!

Drei Jahre lang war ich mit viel Freude Schulsprecher. Natürlich erinnere ich mich auch an quälende Schulstunden und daran, dass ich in der Pubertät in einem Jahr viele Einträge im Klassenbuch hatte. Da hat mich nur Fußball interessiert. Ich habe das überwunden, auch durch motivierende Lehrer und weil es ein Gemeinschaftsgefühl gab. Ganz wichtig in meiner Schulzeit war, dass es zwei Jahre vor dem Abi mit einem Mädchen in meiner Klasse gefunkt hat – während einer Klassenreise in Berlin! Glücklicherweise bin ich mit dieser Schülerin schon seit über 30 Jahren verheiratet. Das gehörte nicht zum Schulprogramm, ist aber auch ein schönes Ergebnis von Schule.

Der Autor ist 58 Jahre alt und Senator für Bildung, Jugend und Sport in Berlin.

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schule@tagesspiegel.de

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