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Panorama: "Wie ein Laster bei Rot über die Ampel"

CAMP LEJEUNE .Ein US-Militärgericht hat am Donnerstag den Unglückspiloten von Cavalese überraschend in allen Punkten der Anklage freigesprochen.

CAMP LEJEUNE .Ein US-Militärgericht hat am Donnerstag den Unglückspiloten von Cavalese überraschend in allen Punkten der Anklage freigesprochen.Dem 31jährigen Hauptmann Richard Ashby wurde unter anderem 20fache fahrlässige Tötung vorgeworfen.Der Ankläger hatte Ashby zuvor in seinem Schlußwort die volle Verantwortung für das Seilbahnunglück zugesprochen, bei dem am 3.Februar vorigen Jahres 20 Menschen getötet wurden, darunter acht deutsche Urlauber.Ashby habe eindeutig fahrlässig gehandelt, als er viel zu tief und viel zu schnell durch das Tal in den italienischen Dolomiten geflogen sei, sagte Militäranwalt Daniel Dougherty am Mittwoch (Ortszeit) beim dem Prozeß auf dem US-Stützpunkt Camp Lejeune in North Carolina.Ashby habe außerdem vermutlich zusammen mit seinem Navigator, Hauptmann Joseph Schweitzer, ein Videoband gelöscht, das normalerweise den Flug dokumentiere.Beide hätten so ihre Lügen vertuschen wollen.Das US-Militärflugzeug hatte im Tiefflug die beiden Kabel der Seilbahn durchtrennt und dadurch die Gondel zum Absturz gebracht.Verteidiger Frank Spinner bemühte sich demgegenüber, Zweifel an der Schuld des Piloten zu wecken.Die acht Offiziere, die in dem Prozeß als Geschworene fungierten, beendeten die spannende Schlußphase des spektakulären Verfahrens mit ihrem Freispruch nach Beratungen, die fast zwei Tage gedauert hatten.

Nach Darstellung Doughertys war sich Ashby am 3.Februar 1998 wohl bewußt, daß er auf seinem Übungsflug auf ein bevölkertes Gebiet zusteuerte."Er befand sich nicht zu Hause in North Carolina, nicht über dem flachen Land, nicht über den Marschen, sondern über extrem bergigem Terrain." Bei dem Tempo, mit dem die Maschine durch das Fleimstal raste, sei es vorhersehbar gewesen, daß Menschen oder die Maschine zu Schaden kommen könnten."Es war so, wie wenn einer mit einem Schwerlaster bei Rot über die Ampel fährt und dann mit einem Schulbus zusammenprallt." Der Pilot habe gegen die Regeln verstoßen und versuche jetzt, sich aus der Verantwortung zu stehlen.

Spinner erinnerte die Geschworenen hingegen daran, daß sie den 31jährigen nur verurteilen dürften, wenn seine Schuld gegen jeden vernünftigen Zweifel bewiesen sei.Dies sei aber keineswegs der Fall.Es sei äußerst unwahrscheinlich, daß sich ein Soldat derart fahrlässig verhalte, der kurz vor seiner Beförderung zum Elitepiloten stand."Außerdem zeigt die Beweislage, daß dies nicht mit dem übereinstimmt, was wir sonst über Hauptmann Ashby wissen."

Der Verteidiger appellierte an den "gesunden Menschenverstand" der Jury.Die Seilbahn sei auf den US-Flugkarten nicht eingezeichnet gewesen."Man kann nicht vor etwas ausweichen, das man nicht sieht." Ashby habe nicht fahrlässig getötet."Fahrlässigkeit hieße, daß er gewußt hätte, daß das Kabel da war." Genausowenig wie jeder andere Pilot sei der 31jährige aber wissentlich auf ein Hindernis zugeflogen, das ihm selbst das Leben hätte kosten können."Alle Piloten wollen überleben und am nächsten Tag wieder ins Cockpit steigen", so der Verteidiger.

Beim Absturz der Gondel wurden neben dem Schaffner, sieben Skifahrer aus Sachsen, fünf Belgier, zwei Polen, ein Innsbrucker, eine Deutsche, die in Wien lebte, eine Holländerin und zwei Italiener getötet.

ELLY JUNGHANS

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