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Panorama: „Wir haben alle versagt“

Nach dem Tod der Schauspielerin Jennifer Nitsch macht sich die Münchner Filmszene Vorwürfe

Es ist nicht so gewesen, dass die Schauspielerin Jennifer Nitsch zuletzt gefehlt hätte, wenn in München eine Party anlässlich einer Filmpremiere oder überhaupt ein Fest von öffentlichem Interesse gefeiert wurde. Immer nur lächelnd und äußerlich scheinbar vergnügt stellte sie sich für die obligatorischen Fotos auf – jüngst noch, wie so oft, an der Seite des Kollegen Heiner Lauterbach, mit dem sie den Priester-Film „Im Namen des Herrn“ gedreht hatte. Dass sie gleichwohl manchmal nur körperlich anwesend war, bestätigen nun einige Münchner Freunde und Bekannte nach Jennifer Nitschs mutmaßlichem Freitod. Aus ihrer Schwabinger Dachwohnung war die 37-jährige Schauspielerin am Sonntag um kurz nach 13 Uhr auf das Trottoir der Franz-Joseph-Straße gesprungen. Sie war sofort tot.

Die Münchner Kriminalpolizei will nach Angaben ihrer Sprecherin Eva Voelkl einen Unfall nach wie vor nicht ausschließen, glaubt aber eher an einen Suizid.

Kollegen von Jennifer Nitsch überrascht diese Version nicht. Michael Mendl zum Beispiel bestätigte am Montag, er habe bei den letzten Filmaufnahmen gemerkt, „dass es ihr nicht gut ging“, und Mendl ist mit seinem Eindruck nicht alleine.

Dass Jennifer Nitsch in großen seelischen Schwierigkeiten gewesen ist, haben in der Szene offenbar viele gewusst – sowohl von übermäßigem Alkoholkonsum wie von Kokainmissbrauch ist jetzt die Rede.

Jennifer Nitsch, heißt es, solle an Autoaggression gelitten haben, habe sich häufiger an den Armen verstümmelt und sogar einmal auf die Schienen der Münchner Trambahn gelegt, um ihren Freund zu zwingen, sie über Nacht nicht alleine zu lassen. Der Regisseur Dieter Wedel, unter dessen Regie Jennifer Nitsch den „Schattenmann“ drehte (unter anderem mit Mario Adorf) sagt: „Wir haben alle versagt.“ Mit dem „wir“ ist die deutsche Fernsehfilmszene gemeint, und es mag einen Teil von Jennifer Nitschs Tragödie ausgemacht haben, dass sie genau der immer verhaftet geblieben ist, obwohl sie darüber hinaus reichende Ambitionen hatte.

Spätestens seit dem „Schattenmann“ nämlich hoffte Jennifer Nitsch offenbar auf den Durchbruch beim internationalen Film, der sich bereits anzubahnen schien, als sie 1991 in Sönke Wortmanns Produktion „Allein unter Frauen“ debütierte.

Mitte der neunziger Jahre bekam sie gleichzeitig den Grimme- und den Bayerischen Fernsehpreis für ihre Rolle in „Nur eine kleine Affäre“. Das Klischee der Verführerin freilich blieb hartnäckig an der besessenen Arbeiterin kennen; die Drehbücher ähnelten sich, was Jennifer Nitsch betraf, häufig bis ins Detail: Sie war in allerlei Variationen die blonde Verführerin, das schöne Gift für Krimis und halbdramatische Abendunterhaltung, sie mochte „Geerbtes Glück“, „Sex oder Liebe“, oder eben „Im Namen des Herrn“ heißen. Die wirkliche Jennifer Nitsch hingegen hatte mit dem Typus des Vamps aber offenbar nur begrenzt Ähnlichkeit, und es mag sein, dass ihr Leben, wie das vieler Schauspieler am schwer zu ertragenden Unterschied zwischen Sein und Schein zerbrochen ist.

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