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Panorama: Wodka-Notstand: Ernüchtert

Wird in Russland der Wodka knapp, hört die Gemütlichkeit auf. Genau das droht aber gegenwärtig: In den Regalen der Supermärkte stehe bereits die unantastbare Staatsreserve, barmte kürzlich ein sichtlich gestresster Reporter des privaten TV-Senders NTW.

Wird in Russland der Wodka knapp, hört die Gemütlichkeit auf. Genau das droht aber gegenwärtig: In den Regalen der Supermärkte stehe bereits die unantastbare Staatsreserve, barmte kürzlich ein sichtlich gestresster Reporter des privaten TV-Senders NTW. Der Grund für den nationalen Notstand: Am 1. Juni trat in Russland ein neues Gesetz in Kraft, wonach alle hochprozentigen Getränke mit einer zweiten Steuermarke versehen werden müssen.

Die erste, schon vor drei Jahren eingeführte Steuer, sichert die Abführung von Geldern an den Föderationshaushalt. Mit der neuen Steuer sollen nun die Hersteller verpflichtet werden, auch an die jeweiligen Regionen Fuselsteuer abzuführen. Um "gentlemen agreements" und andere Mauscheleien zu unterbinden, fordert der Gesetzgeber zudem zentralisierte Zwischenlager, die die rund 3500 Großhändler nach dem Aufkleben der Steuermarken beliefern sollen. Bisher sind jedoch weder die Marken gedruckt, noch die Lager eingerichtet.

Zwar glaubten die Hersteller zunächst Gerüchten, die von Aufschub sprachen. Russlands Bürokratie schlug jedoch mit ungewohnter Konsequenz zu und erlaubt nur noch den Vertrieb von Flaschen, die bis zum 31. Mai abgefüllt wurden. Frühestens gegen Ende Juni, meinen Experten, werde man wieder regelmäßig den großen Wodkadurst stillen können.

Eigentlich sollte der Notstand schon am 5. Juni behoben werden. Doch zu der Zeit waren gerade mal 360 Lizenzen für den Bau der insgesamt 1500 geplanten Zwischenlager vergeben. Noch schlimmer sieht es an der Steuermarken-Front aus: Gebraucht werden nach vorläufigen Schätzungen allein im Juni 400 Millionen Stück. Bisher aber fanden Ausschreibungen für den lukrativen Auftrag - Gesamtwert etwa 90 Millionen Dollar - nur in der Hälfte der 89 russischen Regionen statt. Die Schnapsproduktion kam daher in den meisten der etwa 1000 Brennereien landesweit bis auf weiteres zum Erliegen. Mehrere Wodka-Könige gaben bereits Gewinnwarnungen heraus und suchen öffentlich nach Schuldigen, für die sie ausgerechnet von Antialkoholiker Putin strengste Bestrafung fordern.

Der Notstand ist in der Tat hausgemacht: Ausschreibungen fürs Markendrucken wurden von den Regionen bewusst verschleppt, um den Auftrag jenen Druckereien zuzuschanzen, in denen Zeitungen gedruckt werden, die über die jeweiligen Provinzfürsten nur Gutes (oder gar nichts) berichten. Manche von ihnen sind zudem an den Unternehmen direkt oder indirekt beteiligt.

Vor allem kleinere Hersteller warnen schon vor unlauterer Konkurrenz. Wer willens und in der Lage ist, ortsübliche Sonderaufwendungen - im Klartext: Schmiergelder - zu zahlen, werde bei der Verteilung der Marken bevorzugt, so zumindest ein Sprecher der Vereinigung der Alkoholproduzenten letzte Woche auf einer außerordentlichen Tagung der russischen Handels- und Industriekammer. Das alles beherrschende Thema: der drohende Wodka-Notstand.

Zwar war der Abteilungsleiter für Besteuerung von Alkohol und Tabak im Ministerium für Steuern und Abgaben, Michail Odinez, sichtlich um Krisenmanagement bemüht: Die Situation stabilisiere sich langsam. Produzenten und Verbraucher vernahmen die frohe Botschaft gern - allein es fehlt der Glaube. Wodkatrinker treiben zudem weitere Befürchtungen um: Durch die neue Regionalsteuer und den Verwaltungsaufwand könnte Russlands Nationalgetränk um bis zu 20 Prozent teurer werden.

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