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Xavier Naidoo bei einem Auftritt 2015 in Mannheim.

© dpa

Xavier Naidoo und Song "Marionetten": Ein wenig zurückrudern - bis zum nächsten Aufreger

Mit "Marionetten" und anderen rechtspopulistischen Songs sorgt Xavier Naidoo für Irritation. Jetzt rechtfertigt er sich ausführlich auf Facebook. Und die Söhne Mannheims beruhigen den Oberbürgermeister.

Dieser Weg wird kein leichter gewesen sein: Am Montagabend fanden sich die Mitglieder der Popgruppe Söhne Mannheims im Technischen Rathaus ihrer Heimatstadt ein, um mit Oberbürgermeister Peter Kurz zu sprechen. Dieser hatte von den Musikern um den Sänger Xavier Naidoo gefordert, dass sie zu den „antistaatlichen Aussagen“ auf ihrem neuen Album „MannHeim“ Stellung beziehen. Vor allem das Lied „Marionetten“ war – nicht nur seitens der Stadtverwaltung – wegen seiner Nähe zu rechtspopulistischen Positionen kritisiert worden. In dem Song werden Politiker unter anderem als „Volks-indie-Fresse-Treter“ bezeichnet und Xavier Naidoo singt: „Wenn ich so ein in die Finger krieg’, dann reiß’ ich ihn in Fetzen.“

Sein Bandkollege Rolf Stahlhofen sah in dem Lied dennoch einen „Aufruf zum Dialog“ – und so unterhielt sich die Band dann mehr als drei Stunden mit Bürgermeister Kurz. „Das Gespräch war sehr ernsthaft“, sagte dieser im Anschluss. Am Dienstag zeigte sich die Stadt in einer offiziellen Stellungnahme zufrieden mit der Band, die ausreichend dargelegt habe, dass sie „der Inanspruchnahme durch demokratiefeindliche Rechtspopulisten“ widerspreche, womit insbesondere die Reichsbürger gemeint sind.

Auch Xavier Naidoo bekräftigte in einem langen Post auf seiner Facebook-Seite, dass er „jegliche Instrumentalisierung meiner Musik und Texte durch entsprechende politische Gruppierungen“ ablehne. Außerdem heißt es dort: „Bei dem Lied ,Marionetten’ handelt es sich um eine zugespitzte Zustandsbeschreibung gesellschaftlicher Strömungen, also um die Beobachtung bestimmter Stimmungen, Auffassungen und Entwicklungen, dies im Rahmen einer künstlerischen Auseinandersetzung bewusst überzeichnet.“ Das möge missverständlich gewesen sein, weshalb es ihm wichtig sei festzustellen: „Die Söhne Mannheims und ich stehen für eine offene, freiheitliche, liberale und demokratische Gesellschaft, in der viele Kulturen gemeinsam zusammenleben und in der es allen Menschen möglichst gut geht.“

Ein bisschen Alarm, ein bisschen Schimpfe

Der 45-Jährige rudert also ein kleines Stückchen zurück, betont auch noch einmal, dass er und seine Band gegen Radikalismus, Nationalismus sowie jede Art von Diskriminierung einstehen. Sein Verweis auf „Globalisierung und internationale Abhängigkeiten“, die es schwer machten, freiheitlich-demokratische Grundwerte hochzuhalten, hat allerdings schon wieder leichten Reichsbürger-Zungenschlag. Der Aufregungs- und Abwiegelungsablauf erinnert an Naidoos letzten Skandal vor etwa zweieinhalb Jahren, als er in Berlin vor Reichsbürgern gesprochen hatte. Anschließend gab es Proteste, auch OB Kurz distanzierte sich und die Popakademie Mannheim entzog ihm seine Gastdozentur. Flugs wiegelte der Sänger ab, grenzte sich von rechtem Gedankengut ab, sagte aber auch: „Ich möchte auf Menschen zugehen. Auch auf Reichsbürger. Auch auf die NDP.“

Seine aktuellen Äußerungen sind zwar deutlich zurückhaltender, doch eine glaubhafte Abwendung von der Gedankenwelt rechtsgerichteter Verschwörungstheoretiker ist darin nicht erkennbar. Naidoo spricht lediglich von künstlerischer Übertreibung und politischer Vereinnahmung, als sei alles nur ein Missverständnis und er eigentlich das Opfer. Dabei ist „Marionetten“ nicht das einzige Lied auf dem neuen Album der Söhne Mannheims, mit dem sich die Gruppe auf politisch fragwürdiges Terrain begibt. So ist in „Nie wieder Krieg“ von Muslimen die Rede, die „den neuen Judenstern“ tragen und in „Der Deutsche Michel“ wird das deutsche Volk als Opfer finsterer Mächte gezeichnet, zu denen Bänker und Medien gehören.

Die Stadt hängt an ihrem Star

Es sieht ganz danach aus, als ginge es auch diesmal wieder glimpflich für Xavier Naidoo ab. Ein bisschen Alarm in den Medien, ein böses Spott-Video von Jan Böhmermann und ein bisschen Schimpfe im Rathaus – das wird er locker wegstecken. Genau wie den Rückzieher der ARD, die ihn nach seinem Auftritt bei der Reichsbürger-Demo dann doch nicht zum Eurovision Songcontest nach Stockholm schicken wollte. Der Sänger führte trotzdem weiter durch TV-Shows und durfte kürzlich zusammen mit Sasha die Echo-Preisverleihung moderieren. Zwar sind den Söhnen Mannheims nun der eine oder andere Medienpartner und Sponsor abhandengekommen, doch die nächsten Konzerte der Gruppe in Zürich, Bremen, Kassel, Bielefeld, Dortmund und Hamburg sind schon alle ausverkauft, nur in Würzburg gibt es noch Tickets.

Mehr Einsicht würde Naidoo vielleicht zeigen, wenn die Stadt Mannheim ihre Zusammenarbeit mit der Band aufgekündigt hätte. Doch im Rathaus hängt man offenbar an den prominenten Pop-Bürgern, die erst kürzlich einen Song für das Fahrradjubiläum der Stadt beigesteuert haben und mit denen man die Errichtung eines Medienzentrums plant. Es wird wohl auch diesmal wieder Gras über die Sache wachsen – bis zum nächsten Aufreger.

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