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Panorama: Zahl der getöteten Kinder steigt um 20 Prozent

Die meisten sind jünger als sechs Jahre – Deutsche Kinderhilfe kritisiert die Bundesregierung

Berlin - Die Zahl der Kinder unter 14 Jahren, die durch Mord oder fahrlässige Tötung ums Leben kamen, ist 2010 um 20 Prozent auf 183 gestiegen. 129 davon waren jünger als sechs Jahre. Ebenso stiegen die bekannten Fälle von Kindesmisshandlung um sieben Prozent auf 4367 im Jahre 2010. Diese Zahlen stellte der Vorsitzende der Deutschen Kinderhilfe, Georg Ehrmann, zusammen mit dem Leiter des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, und dem Bundesvorsitzenden des Bundes deutscher Kriminalbeamter am Freitag in Berlin vor. Ursache ist nach Ansicht Ehrmanns der Reformstau bei der Jugend- und Kinderhilfe, wo sich seit 2007 wenig verändert habe. 2007 war das Jahr nach dem Fall des zweijährigen Kevin, der – obwohl unter Beobachtung des Jugendamtes  – von seinen Eltern zu Tode gequält wurde.

Es war das Jahr, das einen Einschnitt markierte. Damals habe Bundeskanzlerin Angela Merkel den ersten Kindergipfel einberufen. Sie solle das Dossier wieder zur Chefsache machen, fordert Ehrmann vier Jahre später. Die beharrenden Kräfte seien zu stark, als dass allein die Familienministerin Abhilfe schaffen kann: Das geplante Kinderschutzgesetz enthalte keine präzisen Vorschriften und Verantwortlichkeiten und werde nicht mehr Kinderschutz bringen. Die Kinder- und Jugendhilfe werde noch immer nicht von außen evaluiert – so dass im Falle Kevins etwa 800 000 Euro völlig ohne Erfolg ausgegeben wurden. Die Fach- und Qualitätsstandards unterschieden sich von Jugendamt zu Jugendamt – hier sei eine einheitliche Regelung nötig. Es falle den Mitarbeitern der Jugendämter noch immer schwer, zu entscheiden, wann es nicht mehr ausreiche, Vertrauen zu den Eltern aufzubauen, sondern man sich im Konflikt mit ihnen befinde und das Kind schützen müsse. Dafür brauchten sie klar definierte Standards. Mehr Geld in dieses „kaputte System“ zu investieren, hält Ehrmann für falsch.

Gleichzeitig müsse alle sexuelle Gewalt an Kindern als „Verbrechen“ eingestuft werden, fordert Ehrmann. Auch die Verjährungsfristen müssten abgeschafft werden, weil sich die Opfer oft erst nach Jahrzehnten zu melden wagen. Dies hätten die jüngsten Skandale in kirchlichen Schulen und Internaten gerade wieder gezeigt.

In der Schweiz wurde die Verjährung kürzlich per Volksabstimmung abgeschafft. In Deutschland gilt im Zivilrecht für Fälle von sogenanntem einfachen sexuellen Missbrauch eine Verjährungsfrist von 10 Jahren, nur die schweren Fälle verjähren erst nach 30 Jahren. „Es handelt sich um lebenslanges Leid“, sagte Ehrmann.

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