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„Kommunisten-Krokodil“. Das frisch geschlüpfte kubanische Krokodil „Fidel“.

© picture alliance / dpa

Zoo Hoyerswerda: Kubakrise um ein Krokodil

Es war im Tiergarten von Hoyerswerda der Erstgeborene, als sieben der raren kubanischen Rauten-Krokodile schlüpften - und die Tierpfleger nannten ihn Fidel. Sächsischen Kommunalpolitikern von CDU und Grünen passte das nicht. Jetzt wurde das Tierbaby umbenannt.

Von Matthias Meisner

Berlin - Es war erst ein paar Tage alt – und machte seinem Namen alle Ehre, indem es sich als ziemlicher Rüpel erwies. „Fidel“ tauften die Tierpfleger das erste von sieben kubanischen Rauten-Krokodilen, die vor vier Monaten im Zoo der Stadt Hoyerswerda im Osten Sachsens, gleich an der Landesgrenze zu Brandenburg, zur Welt kamen. Und der Beiname „Castro“ stand auch bald fest. „Was würde wohl besser passen?“, fragte Wärterin Silke Kühn. Sie nannte die Geburt das „aufregendste Erlebnis“ ihrer ganzen Jahre im Tiergarten.

Und warum auch nicht? Schließlich stammt die Krokodilart von der Karibikinsel, wo in zwei Sumpfgebieten noch etwa 4000 Exemplare der vom Aussterben bedrohten Art leben. Schon Fidels Eltern Jaco und Primos machten Erfahrungen in Diktaturen: Sie wurden 1981 aus einer Zuchtfarm auf Kuba in die DDR verfrachtet, waren dann fünf Jahre lang „im Showgeschäft“ für den Staatszirkus, den ehemaligen VEB Zentral-Zirkus. Erst dann durften sich die beiden längst auswachsenen Tiere – größer noch als die im Durchschnitt zweieinhalb Meter langen Kuba-Krokodile – im Tiergarten von Hoyerswerda zur Ruhe setzen.

In Europa gelangen erst sehr selten Zuchterfolge von Kuba-Krokodilen, besonders erfolgreich war bisher der Zoo von Stockholm. Für Deutschland indes war die Geburt von gleich sieben Tieren zwischen dem 29. Juli und dem 10. August spektakulär. Doch nachdem sich das Aufsehen unter Fachleuten und auch der erste Besucheransturm gelegt hatten, gab es neue Aufregung. Es stellte sich als Problem heraus, dass Fidels Name nicht wie der seiner sechs Geschwister in freier Wahl per Besucherabstimmung festgelegt worden war. Die Assoziation zum kubanischen Diktator schmeckte nicht allen.

Zum Wortführer der Kritiker machte sich der Görlitzer Landrat Bernd Lange, ein CDU-Politiker. Er ist zugleich Vorsitzender des Kulturraums Oberlausitz-Niederschlesien – und drohte, jährliche Fördergelder von 400 000 Euro zu streichen. „Ohne die Kulturförderung wäre der Zoo in seiner Existenz bedroht“, erklärte Zoo-Chefin Carmen Lötsch: Der Unmut werde „sehr ernst“ genommen, „auch wenn wir ihn in der Sache nicht nachvollziehen können“. Die Regionalausgabe der „Bild“-Zeitung skandalisierte den „Ärger mit dem Kommunisten-Krokodil“. Sogar das ZDF schickte einen Reporter. In dem Fernsehbeitrag warf Thomas Pilz, Vorsitzender des regionalen Kulturbeirates, die Frage auf, „ob die Förderung noch gerechtfertigt ist, wenn der Zoo auf seinem Namen besteht“. Pilz ist Kreisvorsitzender der Grünen in Görlitz, ein ehemaliger DDR-Bürgerrechtler.

Nun hat das von Plattenbauten geprägte Hoyerswerda ohnehin seit mehr als 20 Jahren ein zuweilen von Vorurteilen geprägtes Imageproblem – seit den ausländerfeindlichen Pogromen 1991. Nach denen schrieb damals „Spiegel“-Autor Matthias Matussek über einen „bösartigen, hässlichen dumpfen Alltag, der bösartige, hässliche dumpfe Menschen stanzt“. Was nun ebenfalls äußerst bösartig war. Doch das andere Hoyerswerda ist eben immer noch relativ schwer zu finden – das soziokulturelle Zentrum „Kulturfabrik“ in Hoyerswerda, im vergangenen Jahr Kandidat für den sächsischen Demokratiepreis, erscheint vielen wie eine Enklave in der Stadt.

Im Streit um das Krokodilbaby empörten sich Leserbriefschreiber in den Lokalzeitungen über „Moralwächter“ in Stadt und Region. „Unterste Schublade“ wäre ein Einknicken des Zoos, meinten sie. Und sei es nicht schon absurd genug gewesen, dass in den 90er Jahren die Juri-Gagarin-Straße in Hoyerswerda in Neil-Armstrong-Straße umbenannt worden sei? „Ideologisch borniert“ und „völlig bizarr“ nennt die sächsische Linken-Bundestagsabgeordnete Caren Lay, zu deren Wahlkreis Hoyerswerda gehört, die Kritik am Namen für das erstgeborene Kuba-Krokodil.

Eine Weile lang versuchte der Zoo noch, die Namenswahl seiner Tierpfleger zu verteidigen. Das junge Krokodil drangsaliere seine Geschwister gelegentlich mit Bissen und Schlägen, die Namensgebung spiele deshalb auch auf die kritischen Aspekte Castros an, schrieb Chefin Lötsch auf der Internetseite des Tierparks. Eine Glorifizierung des Diktators habe „wirklich keiner im Sinn“. Und überhaupt sei noch nicht mal klar, ob es sich bei Fidel Castro um ein Männchen oder vielleicht doch ein Weibchen handele.

Das zu klären, wollte der Zoo aber nicht mehr abwarten. Der Verein der Zoofreunde Hoyerswerda bot die Patenschaft für das Krokodilbaby an. Zuvor aber wurde es nach dessen Vorschlag umbenannt. Es heißt jetzt Fidelio.

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