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Panorama: Zu nahe getreten

Berlusconi gratuliert der 16-jährigen muslimischen Schwiegertochter des türkischen Regierungschefs zur Hochzeit mit Handkuss – und verstößt damit gegen die Regel

Wenn Silvio Berlusconi sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, ist er kaum zu stoppen. Als Ehrengast und Trauzeuge reiste der italienische Ministerpräsident jetzt nach Istanbul, um an der Hochzeit eines Sohnes des türkischen Regierungschefs Recep Tayyip Erdogan teilzunehmen – und nach der Trauung griff er beherzt zu: Berlusconi wollte unbedingt die Hand der erst 16-jährigen Braut küssen. Obwohl die fromme Muslimin im weißen Schleier erschrocken ihre Hände zurückzog, ließ Berlusconi nicht locker und konnte schließlich seinen Kuss landen. Die umstehenden Gäste überspielten die peinliche Szene mit Gelächter. Die „Hochzeit des Jahres" in der Türkei sei zur „Berlusconi-Show" geworden, kommentierte die Zeitung „Aksam“. Berlusconi ist ein großer Befürworter des türkischen EU-Beitritts. Wegen des zarten Alters der Braut Reyyan Uruner war die „Hochzeit des Jahres" erst durch eine richterliche Sondergenehmigung möglich geworden. Ihren Bräutigam, den 22-jährigen Harvard-Studenten Bilal Erdogan, lernte Reyyan durch einen Brautwerber kennen, was in der Türkei nicht unüblich ist. Ihre Flitterwochen verbringen die jungen Leute ganz bescheiden in der Stadt Rize, der Heimat der Erdogans an der türkischen Schwarzmeerküste. Die Hochzeit selbst war allerdings alles andere als bescheiden. Zehntausend Gäste waren zu der Feier im Istanbuler Lütfi-Kirdar-Kongresszentrum eingeladen. Die Trauung wurde vom Istanbuler Oberbürgermeister Ali Müfit Gürtüna vorgenommen, der vor zwei Jahren schon den Sohn von Helmut Kohl in Istanbul unter die Haube brachte. 4000 Polizisten sorgten für die Sicherheit und gerieten zeitweise mit Demonstranten aneinander, die gegen die türkische Irak-Politik protestierten.

Jeder Gast erhielt als Erinnerungsstück ein Silberschälchen mit Süßigkeiten. Doch arm wird Erdogan, der neben seinen nun verheirateten zwei Söhnen noch zwei junge Töchter hat, durch die teure Feier nicht. Die in der Türkei üblichen Goldgeschenke für das Brautpaar werden die Familie des Ministerpräsidenten im Gegenteil noch wohlhabender machen, berichtete die Erdogan-kritische Zeitung „Cumhuriyet". Mehrere Säcke waren nötig, um die Präsente aus dem Saal zu transportieren.

Auch Berlusconi musste sich Kritik gefallen lassen. Als er den Saal verließ, bekam er auch Pfiffe zu hören – der Handkuss hatte nicht allen gefallen. Kein Wunder: Viele Hochzeitsgäste kamen wie Erdogan selbst aus dem islamisch-konservativen Lager. Vier von fünf Frauen im Saal trugen entweder das Kopftuch – wie die Braut und die Mütter der Brautleute – oder sogar den Tscharschaf, einen schwarzen bodenlangen Umhang, der nur Sehschlitze für die Augen freilässt.

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