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Amy Krouse Rosenthal.

© imago/ZUMA Press

Zum Tod von Amy Krouse Rosenthal: "Ich suche eine neue Frau - für meinen Mann"

Sie wusste, dass sie bald sterben würde. Also schrieb die 51-jährige Kinderbuchautorin Amy Krouse Rosenthal einen Abschiedsbrief, der zugleich eine Kontaktanzeige war.

Wenn zwei sich lieben, beteuern sie einander: „Ich will, dass du glücklich bist.“ Manchmal meinen sie damit auch: „Nur ich soll dich glücklich machen.“ Was aber, wenn beides nicht zusammen möglich ist? Kann Liebe im Angesicht des Todes wieder selbstlos werden?

Am vergangenen Valentinstag, dem 14. Februar, schrieb Amy Krouse Rosenthal einen Liebesbrief an ihren Ehemann Jason. Es war zugleich ein Abschiedsbrief und eine Kontaktanzeige, mit der die an Eierstockkrebs erkrankte 51jährige amerikanische Kinderbuchautorin eine neue Frau für ihren Mann suchte. Der Text erschien am 3. März in der Online-Ausgabe der „New York Times“ und am 5. März in der Printausgabe. Rund viereinhalb Millionen Menschen haben ihn seitdem gelesen. Die Überschrift lautet: „You May Want to Marry My Husband“ („Sie könnten vielleicht meinen Ehemann heiraten wollen“). Am Montag ist Amy Krouse Rosenthal in ihrem Haus in Chicago gestorben. Sie hinterlässt ihren Mann, drei Kinder – und diesen Brief.

In sowohl leichter als auch wehmütiger Sprache schildert sie der anonymen Kontaktperson zunächst ihre Lage. Sie müsse das aufschreiben, weil es eine „deadline“ gebe, „so lange ich a) deine Aufmerksamkeit und b) noch einen Puls habe“. 26 Jahre lang sei sie mit dem „außergewöhnlichsten Mann“ verheiratet gewesen und würde dies gerne noch mindestens weitere 26 Jahre sein. Doch am 5. September 2015 sei bei ihr Eierstockkrebs diagnostiziert worden. Das habe mit einem Schlag alle Pläne zunichte gemacht. „Kein Wunder, dass die Worte ,cancer' und ,cancel' so ähnlich aussehen.“

Eine neue Liebesgeschichte soll beginnen

Nun sucht sie für ihren Mann eine neue Frau. Die richtige Person möge das Folgende lesen – und „eine neue Liebesgeschichte beginnen“. Das sei ihre größte Hoffnung. Jason wird von Amy so beschrieben: 1,78 Meter groß, 73 Kilogramm schwer, graumeliertes Haar, nussbraune Augen, Rechtsanwalt. „Man kann sich leicht in ihn verlieben, ich tat es an einem Tag.“ Jason kleidet sich elegant, kann hervorragend kochen – „man, can he cook“ –, er besucht Konzerte, ist ein wunderbarer Vater, malt, verreist gern.

Es folgen Erinnerungen, Anekdoten. Zur Ultraschalluntersuchung bei ihrer ersten Schwangerschaft brachte er Blumen mit. Sonntagmorgens formt er aus Teelöffeln, Bechern und Bananen ein Smiley-Gesicht. „Wenn das nun alles wie ein Prinz und unsere Beziehung wie ein Märchen klingt“, schreibt Amy, „dann ist das nicht weit von der Wirklichkeit entfernt – abgesehen von all den gewöhnlichen Dingen, die man tut, wenn man zweieinhalb Jahrzehnte lang eine Familie und ein Haus zusammenhalten muss.“ Und abgesehen von ihrer Krebserkrankung. Am Ende dieses Absatzes steht nur ein einziges Wort, das deutsche Wort „Blech“.

Der Brief endet mit geballter Sehnsucht nach Leben. „Ich will mehr Zeit mit Jason verbringen. Ich will mehr Zeit mit meinen Kindern haben. Ich will mehr Zeit, um donnerstagnachts im Green Mill Jazz Club ein paar Martinis zu trinken.“ Das alles aber werde nicht geschehen. „Ich kann wahrscheinlich nur noch einige wenige Tage auf diesem Planeten leben.“

„With all my love, Amy“

Unter dem Text ihres Briefes hatte Amy Rosenthal absichtlich etwas Platz frei gelassen. „Das soll euch beiden den Neustart ermöglichen, den ihr verdient habt“, schreibt sie an die Adresse ihres Mannes und seiner anonymen möglichen neuen Ehefrau. „With all my love, Amy.“

In einem Nachruf der „New York Times“, der am Montag erschien, wird auch Amys Ehemann Jason zitiert. „Als ich ihre Abschiedsworte zum ersten Mal las, war ich schockiert von deren Schönheit, etwas überrascht von der unglaublichen Prosa, zu der sie in ihrem Zustand noch fähig war, und natürlich rissen sie mir das Herz entzwei.“

Verleger und Freunde erinnern sich an Amy als ein Energiebündel voller Fantasie. Das erste Wort, das sie als Kind zu sprechen gelernt hatte, sei „mehr“ gewesen. Zum Schreiben sei sie an einem Tag gekommen, als sie mit ihren drei kleinen Kindern bei McDonald’s gesessen habe. Den Entschluss, den sie damals traf, nannte sie später ihre „McEpiphany“.

Amys Lieblingssatz stammt aus dem Theaterstück „Unsere kleine Stadt“ von Thornton Wilder. Die Hauptperson des Stückes, Emily Webb, fragt: „Begreifen die Menschen jemals das Leben, während sie es leben?“

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