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Panorama: Zunehmende Verspätungen im europäischen Luftverkehr machen das Umsteigen oft zur schweißtreibenden Angelegenheit

Mit keuchendem Atem und Schweißperlen auf der Stirn hastet der Mann im dunklen Anzug mit Aktenkoffer und Kleidersack durch das Flughafengebäude. Der Zubringerflug ist gerade erst gelandet, in zehn Minuten startet die Anschlussmaschine, doch die Abfertigungsposition liegt am anderen Ende des Gebäudes.

Mit keuchendem Atem und Schweißperlen auf der Stirn hastet der Mann im dunklen Anzug mit Aktenkoffer und Kleidersack durch das Flughafengebäude. Der Zubringerflug ist gerade erst gelandet, in zehn Minuten startet die Anschlussmaschine, doch die Abfertigungsposition liegt am anderen Ende des Gebäudes. Kurz bevor sich die Türen des Jumbos schließen, schafft es der Geschäftsreisende an Bord, seine Koffer rotieren indessen noch im Gepäckverteilsystem des Airports. Zwei weitere Fluggäste können dem Jet nur noch hinterher winken.

Ein Horrorszenario für Reisende, wie es an den europäischen Großflughäfen heute leider zum Alltag gehört. Mit rund 1,5 Milliarden erreichte die Zahl der weltweiten Flugreisenden im vergangenen Jahr einen neuen Rekord, auf über 45 Millionen Passagiere brachte es allein der Frankfurter Rhein-Main-Airport. Doch mit den steigenden Verkehrszahlen kommt es auch immer mehr zu Verspätungen.

"1999 war das schlimmste Jahr für Flugverspätungen", so die internationale Luftverkehrsvereinigung IATA. Nach einer Statistik der Association of European Airlines (AEA) waren im vergangenen Oktober 27,7 aller Flüge in Europa um mehr als 15 Minuten verzögert. Und da wird es für Reisende mit Anschlussflügen eng. Die Fachzeitschrift "Business Traveller" hat deshalb jetzt allen Passagieren empfohlen, sich nicht auf die garantierten Mindestumsteigezeiten der einzelnen Grossflughäfen - in Brüssel beispielsweise nur 30 Minuten - zu verlassen, sondern in die Flugplanung "Zeitpuffer" einzubauen. Das funktioniert allerdings nur, wenn auf den entsprechenden Routen genügend Verbindungen angeboten werden.

Weiter rät die Fachzeitschrift dazu, beim Anschlussflug möglichst dieselbe Fluggesellschaft oder deren Allianzpartner zu benutzen. Denn so helfe im Notfall auch in anderen Ländern das Personal der jeweils befreundeten Airline weiter. Außerdem werden diese Flüge dann zumeist am selben Terminal abgefertigt wie der Zubringerdienst. Sonst kann es leicht passieren, dass der Transport zwischen zwei weit auseinander liegenden Gebäudeteilen eine Stunde in Anspruch nimmt. Geschäftsreisende, die nur mit Handgepäck unterwegs sind, sind obendrein im Vorteil.

In Frankfurt, wo fast jeder zweite der im täglichen Durchschnitt 126 000 Passagiere umsteigt, bleibt man dennoch gelassen. "Wir sehen keinen Grund, unsere Mindestumsteigezeit von 45 Minuten zu erhöhen", sagt Flughafen-Sprecher Wolfgang Schwalm. Ganz im Gegenteil: Am Airport mit dem höchsten Anteil an Transitreisenden in ganz Europa arbeitet man an einer weiteren Verkürzung. Mit der Lufthansa wird ein Verfahren erprobt, bei zeitkritischen Anschlüssen von bis zu 35 Minuten Passagiere und Gepäck direkt von Maschine zu Maschine zu transportieren.

Auch in Amsterdam-Schiphol, wo für interkontinentale Flüge 50 Minuten Umsteigezeit kalkuliert werden, geht es bei Bedarf schneller. In den Genuss solcher Privilegien kommen allerdings nur Vollzahler und keine Besitzer von Billigtickets.

Das ganze Verspätungsproblem könnte längst vom Tisch sein, wenn sich die europäischen Staaten auch am Himmel einiger wären. Schuld, so kritisieren die Luftverkehrsgesellschaften und ihre Verbände, ist die unterschiedliche Organisation der Flugsicherung, wo 32 nationale Systeme in 49 Kontrollzentren eher gegen- als miteinander arbeiten. Frankreich und die Schweiz, so die AEA, führen die "Hitliste" der Verursacher an. Dabei ließe sich nach Meinung der IATA die Kapazität der europäischen Luftstraßen nahezu kostenlos um bis zu 30 Prozent steigern. Das, so Pierre Jeanniot, Direktor der weltumspannenden Vereinigung, sei keine Frage der Technik, sondern eine Frage des politischen Willens. Doch bis es über Europa endlich einen gemeinsamen Luftraum gibt, werden noch viele Passagiere ihrem Anschlussflug hinterherlaufen und vielleicht sogar hinterherschauen müssen.

Rainer W. During

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