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Zielgruppe für die ADAC-Werber: Kinder und Jugendliche.

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Exklusiv

Zur Kasse gebeten: Kinder werden unfreiwillig zu ADAC-Mitgliedern

Sie waren zehn und dreizehn Jahre alt: ADAC-Werber haben Minderjährigen kostenpflichtige Mitgliedsverträge untergejubelt. Es ist nicht das erste Mal, dass der Automobilclub mit seiner Mitgliederwerbung gegen geltendes Recht verstößt.

Lara ist baff, als sie vor einem halben Jahr einen Brief bekommt. Es ist ein Schreiben vom Allgemeinen Deutschen Automobilclub (ADAC), aus dem sie erfährt, dass sie jetzt zu seinen Mitgliedern gehört. Gleichzeitig mahnt der ADAC, Lara möge den Jahresbeitrag überweisen, 19 Euro seien überfällig. Lara aber stutzt. Ihres Wissens nach ist sie nie Mitglied im ADAC geworden, die 19-Jährige hat nicht einmal ein Auto. Als ihr Vater beim ADAC nachfragt, teilt man ihm mit, Lara sei dem Club auf der Berliner Jugendmesse YOU beigetreten. 2006 sei das gewesen. Das Mädchen war damals 13 Jahre alt, also noch gar nicht geschäftsfähig. Und sie erinnert sich: An einem Messestand hielt ihr jemand einen Zettel unter die Nase. Die 13-Jährige dachte, es handle sich um ein Preisausschreiben und füllte den Zettel aus.

Wenige Monate später bekommt auch ihr Bruder Nils Post. Es ist wieder der ADAC, der den Mitgliedsbeitrag fordert. Er sei dem Club 2004 beigetreten. Auch der 18-Jährige weiß von nichts. 2004 war er zehn Jahre alt. Dem Tagesspiegel ist ein weiterer Fall bekannt, in dem eine junge Erwachsene plötzlich dazu aufgefordert wurde, Geld an den ADAC zu zahlen. Stets lautet die Begründung, eine Schnuppermitgliedschaft sei abgeschlossen worden zu einer Zeit, als die Betroffenen noch minderjährig waren. Nun, mit der Volljährigkeit, bestehe eine echte Mitgliedschaft; ab dem 19. Lebensjahr werde sie kostenpflichtig. Wie kann so etwas passieren?

Der ADAC hat darauf keine Antwort. Es sei „völlig unüblich und nicht gewollt, dass Minderjährige als Mitglieder geworben werden“, sagt ein Sprecher des Automobilclubs auf Anfrage, dies sei in einem Verhaltenskodex festgehalten. Zwar habe es schon Beschwerden von 16- und 17-Jährigen gegeben, denen unrechtmäßig Verträge aufgedrängt wurden. Von der Anwerbung von Kindern aber habe man noch nie gehört.

Schuld ist das verschachtelte Werbesystem

Dass der ADAC bezüglich seiner eigenen Werbemethoden im Dunkeln tappt, mag zunächst befremdlich klingen. Verwunderlich ist es jedoch nicht, denn das Vertriebssystem des Automobilclubs ist verschachtelt. Der Weg zwischen der ADAC-Zentrale in München und dem Werber mit den Mitgliedschafts-Formularen ist lang und unübersichtlich. Er führt von 15 ADAC-Regionalclubs über verschiedene selbstständige Werbefirmen. Diese wiederum stellen Mitarbeiter ein oder beauftragen Vertreter, die auf Provisionsbasis arbeiten. Für jede abgeschlossene Mitgliedschaft bekommen sie Geld. Wie viel, das teilt der ADAC nicht mit. Dass dieses System Schlupflöcher für „schwarze Schafe“ bietet, hat der Automobilclub in der Vergangenheit eingeräumt. In ganz Deutschland wurden schon Fälle bekannt, in denen ADAC-Werber in Fahrschulen Minderjährige zu Vertragsabschlüssen drängten oder eigenmächtig Unterschriften unter Mitgliedsanträge setzten, denen die Betroffenen gar nicht zugestimmt hatten.

Der Verweis des ADAC auf zwielichtige Methoden externer Werber ist Verbraucherschützern jedoch zu wenig. „Der ADAC hat sein Werbesystem selbst eingeführt, also trägt er auch die Verantwortung für dessen schlimmen Auswüchse“, sagt Sabine Fischer-Volk von der Verbraucherzentrale Brandenburg. Dass Kinder für Mitgliedschaften angeworben wurden, sei „in höchstem Maße unseriös“. Die abgeschlossenen Verträge seien unwirksam, es sei denn, die Eltern oder die inzwischen Volljährigen stimmten nachträglich zu. Aus rechtlicher Sicht sind die Methoden des ADAC auch darüber hinaus problematisch. Für den Berliner Rechtsanwalt Friedemann Koch „handelt es sich eindeutig um unlautere Werbung“. Wenn bewusst Kinder angesprochen würden, dann ziele die Aktion eindeutig auf deren Unerfahrenheit. „Solche Werbemethoden kann man gerichtlich verbieten lassen.“

Lara und Nils’ Eltern wollen auf rechtliche Schritte verzichten. Nach ihren Beschwerden hat der ADAC die Beitragsforderungen zurückgenommen und ihre Kündigungen akzeptiert.

Verbraucherschützer rät: Nicht ansprechen lassen

Grundsätzlich warnt die Verbraucherzentrale vor zwielichtigen Werbeangeboten auf der Straße. „Wenn ein Werber Druck macht und so schnell wie möglich auf eine Unterschrift aus ist, dann sollte man besonders vorsichtig sein“, rät der Berliner Verbraucherschützer Rüdiger Strichau. Drängen sei oft ein Zeichen für dubiose Machenschaften. „Seriöse Unternehmen haben das nicht nötig.“Von Vertragsunterschriften auf der Straße rät er grundsätzlich ab. „Stattdessen sollte man sich Informationen mitgeben lassen und in aller Ruhe zu Hause entscheiden, ob man wirklich mitmachen will.“ Grundsätzlich sei die Teilnahme an Gewinnspielen oder das Ausfüllen von Formularen ein Risiko: „So geben Verbraucher ihre Daten preis.“ Wer doch eine Unterschrift geleistet habe und dies bereue, der solle von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen. Am besten lässt man sich auf der Straße gar nicht in ein Gespräch verwickeln. Viele Werber sind geschult und nutzen die Freundlichkeit der Leute aus. In der Regel bekommen Straßenwerber Provisionen, sogar die von gemeinnützigen Organisationen, bei denen man es nicht vermutet.

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