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Mit Perücke und Sonnenbrille. Heidi K. im Gerichtssaal.

© dpa

Zur Wahrheit verurteilt: Heidi K. muss in Haft, weil sie einem Kollegen eine Vergewaltigung andichtete

Die Lehrerin Heidi K. hat einen Mann fälschlich der Vergewaltigung beschuldigt. Der Mann saß unschuldig fünf Jahre und starb vergrämt. Jetzt muss sie wegen ihrer falschen Behauptung für fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis.

Über Justizopfer wird viel diskutiert, auch über Falschanschuldigungen, doch wenn es in dieser Hinsicht einen exemplarischen Fall in den letzten Jahren gab, dann waren es weder Gustl Mollath noch Jörg Kachelmann. Es war der des Lehrers Horst Arnold. Am Freitag hat das Landgericht Darmstadt eine Exkollegin von ihm wegen Freiheitsberaubung zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Ihre Aussage, Arnold habe sie vormittags in einem Vorbereitungsraum für Biologiestunden anal vergewaltigt, hatte ihn für fünf Jahre ins Gefängnis gebracht.

Es ist ein ungewöhnlich scharfes Urteil

Es ist eine ungewöhnlich scharfe Reaktion auf ein außergewöhnliches Geschehen. Stellt sich heraus, dass Zeugen oder angebliche Opfer von Straftaten nicht bei der Wahrheit blieben, kommt es eher selten zu Verfahren. Eine Ausnahme ist, wenn nun, wie im Fall der 48 Jahre alten Heidi K., jemandem das gesamte durch ihn veranlasste Justizhandeln zugerechnet wird. Wenn ein Zeuge allein mit seiner Aussage einem Unschuldigen die Freiheit nahm und dafür bestraft wird.

Horst Arnold darf dies nicht mehr erleben, er ist tot. Seine 2002 verhängte Strafe musste er voll absitzen, weil er seine Unschuld beteuerte und daher als uneinsichtig galt. Einer aufmerksamen Frauenbeauftragten, die für die Schule zuständig war, und deren Bruder Hartmut Lierow, einem Berliner Rechtsanwalt, war die Wiederaufnahme des Verfahrens zu verdanken. 2011 erging der Freispruch wegen erwiesener Unschuld. Dem falsch Verurteilten half es wenig, er lebte von Hartz IV und wartete nicht nur vergeblich auf seine Wiedereinstellung als Lehrer, sondern auch auf seine Haftentschädigung. Vor einem Jahr fiel er in der Nähe seiner Wohnung tot vom Fahrrad. Herzinfarkt.

Heidi K. leidet unter einer histrionischen Persönlichkeitsstörung

Heidi K. bestreitet ihre Tat, so wie Horst Arnold die ihm angelastete stets bestritten hatte. Sie bleibt bei ihrer Version. In Arnolds Prozess hatte niemand Zweifel an ihren Angaben. In ihrem eigenen stand sie nun als Lügnerin da. Ehemalige Kollegen, Freunde, Männer berichteten von Geschichten, die sie ihnen aufgetischt haben soll. Von einem angeblichen Lebensgefährten, einem Polizisten, der nach einem Antiterroreinsatz im Koma lag; von Misshandlungen, die sie als Ehefrau erlitten haben will; von Giftmischern in der Schule, von einer tödlich verunglückten Tochter. Ein psychiatrischer Gutachter attestierte der Frau eine sogenannte histrionische Persönlichkeitsstörung. Gemeint ist damit jemand, der krankhaft alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen will. Jemand, der ständig Theater spielt. Ein Leiden, das Karrieren genauso ruinieren wie beflügeln kann. Heidi K.s Schuldfähigkeit sei jedenfalls nicht beeinträchtigt gewesen, sind Gutachter und Gericht überzeugt.

Die Justiz versucht, ihr eigenes Versagen wieder gut zu machen

Mancher unterstellt der Justiz in Vergewaltigungsfällen eine Opferfreundlichkeit, die blind und taub ist gegenüber den Lügen von Frauen. War es auch so bei Heidi K.? Fest steht wohl, dass man nun Ermittlungen nachholte, die damals sträflich unterlassen wurden. Dass das Geschehen im für viele zugänglichen Bioraum plötzlich schwer vorstellbar erschien. Dass es eklatante Widersprüche in den Aussagen der Zeugin gab und ein plausibles Motiv für ihre falschen Behauptungen: Sie soll in seinen Unterlagen gestöbert, er sie dabei ertappt haben.

Richterinnen sind kritischer gegenüber Frauen als Richter

Alles Begebenheiten, um die Arnolds Richter sich kaum gekümmert hatten. Der Vorsitzende von damals konnte sich als Zeuge im Verfahren gegen Heidi K. an fast nichts erinnern. Wer in dem scharfen Urteil gegen Heidi K. auch so etwas wie den Versuch des Darmstädter Landgerichts sieht, das eigene Versagen wiedergutzumachen – oder sich reinzuwaschen –, dürfte damit nicht ganz falsch liegen.

Der Strafprozess gegen Horst Arnold dürfte im Nachhinein nicht nur die Richter beschämen, sondern auch die damals zuständigen Staatsanwälte. Strafverteidiger, die Vergewaltiger vertreten, berichten, dass ihnen eine Frau als Richterin häufig lieber sei; anders als vielfach angenommen gebe es keine latente Geschlechtersolidarität. Im Gegenteil, Männer hätten eher Angst, die Angaben des Opfers in Zweifel zu ziehen. Das Schicksal von Horst Arnold würde dafür Anhaltspunkte liefern. Bei seinem Urteil führte den Gerichtsvorsitz ein Mann. Bei Heidi K. war es jetzt eine Frau.

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