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Panorama: Zwanghafte Selbstdarstellung

Am Donnerstag steigt der Wiener Opernball - mit Monica Lewinsky?VON ULRICH GLAUBER WIEN.

Am Donnerstag steigt der Wiener Opernball - mit Monica Lewinsky?VON ULRICH GLAUBER WIEN.Er gilt als Ball der Bälle: Zum 47.Mal wird beim Höhepunkt der österreichischen Faschingssaison in der Wiener Staatsoper die Devise wieder "Alles Walzer" heißen.Der Opernball - Fest der Reichen und Prominenten - gerät in der Ära der Mediengesellschaft allerdings von Jahr zu Jahr mehr zur Bühne zwanghafter Selbstdarstellung und geschäftsfördernder Schleichwerbung. Immer mehr greift die Sitte um sich, mit der Einladung publicityträchtiger Zeitgenossen sich und die eigene Firma beim TV-Gesellschaftsereignis des Jahres ins rechte Licht zu rücken.Daß da auch von Namen die Rede ist, die durch eher halbseidene Akte in die Schlagzeilen der Weltpresse geraten sind, paßt ins Bild.Geladen ist in diesem Jahr auch Monica Lewinsky, die durch mehr oder weniger engen Kontakt zu US-Präsident Bill Clinton auffällig wurde.Wie es allerdings heißt, machen ihre Knie nicht mehr richtig mit.Das Tanzen fällt wohl aus.Ob die Ex-Praktikantin im Weißen Haus in diesen für sie so bewegten Zeiten der Aufforderung zum Tanz an der Wiener Ringstraße folgt, ist allerdings noch aus anderen Gründen offen.Bis zur Klärung dieser Frage will der Wiener Jungunternehmer, der Lewinsky einschließlich ihres Rechtsanwalts William Ginsburg eingeladen hat, lieber ungenannt bleiben. Vom "Wall Street Journal" war der Wiener Bauunternehmer Richard Lugner auf der ersten Seite als Gastgeber genannt worden."A guade Idee," zeigte der 65jährige mit dem Spitznamen "Mörtel" einigen Neid auf den Einfall des Konkurrenten im Publicity-Rennen, als er auf Nachfrage der Tageszeitung "Die Presse" die Urheberschaft an dem Coup bestritt. Der 65jährige Selfmade-Unternehmer und "Partylöwe" wird in diesem mit der Filmschauspielerin Raquel Welch im Schlepptau in der Staatsoper auftauchen.Diese Begleiterin wird zuvor in Lugners Wiener Einkaufszentrum Autogramme schreiben wie schon ihre Vorgängerinnen Joan Collins, Ivana Trump, Sophia Loren, Grace Jones und Herzogin Sarah Ferguson, die der Baumeister und seine Ehefrau Christina - genannt "Mausi" - für eine geschätzte Summe zwischen 70 000 und 200 000 Mark als geschätzte Begleitung anwarben.Nicht nur Mediengeilheit, auch solider Geschäftssinn stehen dahinter.Lugners Baufirma mit einem Jahresumsatz von rund 110 Millionen Mark hat es selbst nach Ansicht der zahlreichen Spötter nur genützt, daß der umtriebiger Chef 1992 den Opernball als PR-Bühne entdeckt hat. Andere wollen da nicht nachstehen.Wer es nicht mit blitzlichtumwitterten Stars schafft, schenkt den Besuchern als "Ballspende" ein Fläschlein Parfüm.Oder er stellt die Krönchen für die 184 Debütantinnen, die mit ihren Partnern den Ball nach wochenlangem Training in 31 österreichischen Tanzschulen eröffnen.Der Wein kommt von Winzern am Neusiedler See, die Floristen der Republik stellen 20 000 rosa Nelken.Alle wollen genannt sein und werden es auch. Daß "Mörtel" Lugner seine Rolle in den Klatschspalten mit einer Legitimation zur Bewerbung bei der österreichischen Bundespräsidentenwahl am 19.April verwechselt hat, gibt dem Opernball in diesem Jahr einen besonderen Beigeschmack.Amtsinhaber Thomas Klestil - derzeit wegen Unterhaltszahlungen für seine Frau in den Schlagzeilen - möchte dem parteilosen Herausforderer ungern mit einer Begegnung aufwerten. Auch Schauspieler Richard Gere wird erwartet.Gere soll aus der Loge eines Wiener Juweliers strahlen.Der ehemalige Bundeskanzler Franz Vranitzky hat den Präsidenten der Weltbank, James Wolfensohn, zu Gast.Der britische Adel ist durch Prinzessin Dianas Stiefmutter, Lady Raine Spencer, vertreten.Der Teesalon gehört den Künstlern aus Oper und Theater. Als Politiker muß Präsident Thomas Klestil jedes Jahr zum Opernball, um das Ereignis zu eröffnen.Bei den Repräsentationspflichten unterstützen wollen ihn diesmal Bundeskanzler Viktor Klima, Verteidigungsminister Werner Fasslabend, Staatssekretärin Benita Ferrero-Waldner und Staatssekretär Peter Wittmann. Der Ball steht unter dem Motto "1001 Nacht" und verlangt auch den anderen 5000 Besuchern märchenhaften Aufwand ab.Wer die 1100 bis 4900 Mark für eine Loge nicht aufbringen kann und nicht einmal 1100 Mark für einen Vier-Personen-Tisch berappen will, muß allerdings nur 400 Mark für eine Eintrittskarte bezahlen. Als Eröffnungswalzer für das Jungdamen- und Jungherren-Komitee erklingt "Gold und Silber" von Franz Lehar. Die Gegenbewegung kann auch diesmal nicht ausbleiben.Daß die Opernball-Besucher in dieser Saison wie vor Jahren durch ein Spalier von Eierwerfern Spießruten laufen müssen, soll Polizeischutz verhindern.Fest steht, daß in der nahen Kunstakademie die Obdachlosen-Zeitung "Augustin" einen "Opferball" veranstaltet.Pamela-Anderson-Double Ina Werner als Moderatorin steht symbolisch für eine weitere Kopie: Der "Ball des schlechten Geschmacks" in der Babenberger-Passage der Wiener Innenstadt, deren Höhepunkt die Premierung des "niderschmetterndsten Fummels" ist, zieht die Medien fast genauso an.Regisseur Christoph Schlingensief, der dort unter anderem sein Buch "Talk 2000" vorstellen will, will danach angeblich selbst beim Opernball vorbeischauen.Möglicherweise kann er den Rolls Royce benutzen, der gelangweilten Opernball-Besuchern als Shuttle zur Trash-Alternative von deren Organisatoren zur Verfügung gestellt wird.

ULRICH GLAUBER

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