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Leroy Sané steht Bundestrainer Flick wegen einer Knieverletzung nicht für den WM-Auftakt gegen Japan zur Verfügung.

© Foto: dpa

Flick vor harten Entscheidungen: Auf wen der Bundestrainer beim WM-Auftakt setzen könnte

Leroy Sané fällt wegen einer Knieverletzung gegen Japan aus. Trainer Hansi Flick verfügt über viele Optionen. Manager Bierhoff sieht die interne Konkurrenz als Vorteil.

Die gute Nachricht zuerst: Hansi Flick, der Bundestrainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, verfügt für die Weltmeisterschaft in Katar über eine stabile Achse, auf die er bauen kann.

Die schlechte Nachricht gleich hinterher. Die Achse ist nicht besonders lang. Im Grunde geht sie nur von Manuel Neuer im Tor über Antonio Rüdiger in der Innenverteidigung bis zu Joshua Kimmich im defensiven Mittelfeld.

Alle drei werden am Mittwoch in der Startelf stehen, wenn die Deutschen gegen Japan in die WM starten. Wie es auf den anderen Positionen aussieht, das ist – mal mehr, mal weniger – noch offen.

Natürlich gibt es zum Teil schon eindeutige Tendenzen. Aber eben auch noch einige Fragezeichen für den Bundestrainer.

Das Schöne ist, dass er auf einigen Positionen viele Optionen hat und schwere Entscheidungen treffen muss.

Manager Oliver Bierhoff über den Job von Bundestrainer Hansi Flick

„Es gehen ihm noch einige Entscheidungen durch den Kopf“, sagt Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft. „Ich bin auch gespannt, was da kommt.“

Dass Flick viele Optionen hat und schwere Entscheidungen treffen muss, das hält Bierhoff sogar für einen Vorteil: Es schärft die interne Konkurrenz. Hier ein Überblick über die Situation kurz vor dem WM-Auftakt für die Deutschen.

Außenverteidigung
Ein Spieler, der sich seines Einsatzes gegen Japan ebenfalls recht sicher sein darf, ist Thilo Kehrer. Keiner hat in der Ära Flick so oft (14 Mal) und so lange (1176 Spielminuten) auf dem Platz gestanden wie der Defensivallrounder, der seit dieser Saison für West Ham United in der Premier League spielt.

Kehrer (2. v. l.) spielt immer. Nur wo - das ist die Frage
Kehrer (2. v. l.) spielt immer. Nur wo - das ist die Frage

© Foto: IMAGO/Ulmer/Teamfoto

Die Frage lautet daher nicht, ob Kehrer am Mittwoch (14 Uhr, live bei der ARD) gegen Japan spielt; die Frage lautet allenfalls, wo er spielen wird. Von Natur aus ist der 26-Jährige eigentlich Innenverteidiger; doch außen ist der Bedarf definitiv größer.

Als ausgewiesenen Spezialisten für die rechte Seite hat Flick nur den Leipziger Lukas Klostermann in sein WM-Aufgebot berufen, der allerdings nach langer Verletzungspause noch nicht über die nötige Wettkampffitness verfügt.

Den Versuch mit Jonas Hofmann, einem offensiven Mittelfeldspieler, hat Flick nach dem Nations-League-Spiel gegen Ungarn für gescheitert erklärt, und auch Niklas Süle ist eigentlich auf einer anderen Position, in der Innenverteidigung, zu Hause. In Dortmund aber hat Süle zuletzt rechts in der Viererkette gespielt und nach eigener Einschätzung gezeigt, „dass ich da eine Alternative sein kann“.

Links dürfte David Raum spielen

Thilo Kehrer, der Tausendsassa, hat unter Flick auch schon als linker Außenverteidiger ausgeholfen. Bei der WM aber gibt es für diesen Posten mit David Raum und Christian Günter zwei ausgewiesene Spezialisten. Der Bundestrainer tendiert wegen dessen ausgeprägtem Offensivgeist wohl eher zum Leipziger Raum, obwohl der bisher eine eher durchwachsene Saison gespielt hat. Für alle Fälle einen Thilo Kehrer in der Hinterhand zu haben ist auf jeden Fall kein Nachteil.

Innenverteidigung
Thilo Kehrer könnte im Zweifel auch rechts in der Innenverteidigung, an der Seite des gesetzten Antonio Rüdiger, spielen. Aber das wird wohl nicht nötig sein. Aktuell liefern sich Niklas Süle und Matthias Ginter ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Platz in der Startelf – wobei der Dortmunder Süle in den vergangenen Wochen seinen einst beachtlichen Vorsprung weitgehend eingebüßt hat.

Es kann nur einen geben: Matthias Ginter (rechts) oder Niklas Süle.
Es kann nur einen geben: Matthias Ginter (rechts) oder Niklas Süle.

© Foto: imago images/Uwe Kraft

Flick schätzt Süle aus der gemeinsamen Zeit bei den Bayern, während Ginter nie zu seinen erklärten Lieblingsspielern gehörte. In den ersten 15 Spielen unter Flick kam er auf ganze zwei Einsätze und 109 Spielminuten. Seit seinem Wechsel von Borussia Mönchengladbach zum SC Freiburg aber überzeugt er durch konstante und stabile Leistungen.

Mit Rüdiger und Ginter wäre die Innenverteidigung breiter aufgestellt als mit Rüdiger und Süle, die beide vor allem die Komponente Wucht mitbringen. Allzu gewagt ist die Prognose daher nicht, dass Matthias Ginter bei seiner dritten WM-Teilnahme und mit inzwischen 28 Jahren tatsächlich zum ersten Mal ein WM-Spiel bestreiten wird.

Defensives Mittelfeld
Verglichen mit den Entscheidungen, die Flick in der Viererkette treffen muss, ist die Frage, wer als zweiter Sechser neben Kimmich spielen wird, Leon Goretzka oder Ilkay Gündogan nämlich, ein echtes Luxusproblem. Wobei: Im Test gegen den Oman durften beide je eine Halbzeit auflaufen; überzeugen konnte keiner.

Gündogan ist mit seinen 32 Jahren immer noch ein Versprechen, das – zumindest in der Nationalmannschaft – bisher nicht eingelöst wurde. Die WM 2014 und die EM 2016 verpasste er wegen einer hartnäckigen Verletzung, bei der Europameisterschaft 2012 kam er nicht eine Minute zum Einsatz, und 2018 schlugen ihm die Folgen eines Fototermins mit Recep Tayyip Erdogan nachhaltig aufs Gemüt.

11
Mal hintereinander ist Ilkay Gündogan zuletzt bei Länderspielen zum Einsatz gekommen

Und 2022? In den jüngsten elf Länderspielen ist der Mittelfeldspieler von Manchester City immer zum Einsatz gekommen, neun Mal stand er in der Startelf. „Ich fühle mich fit, ich bin in Form. Ich habe viele Spiele in mir“, hat Gündogan vor kurzem dem „Kicker“ gesagt. „Klar habe ich den Anspruch zu spielen.“

Diesen Anspruch hat auch Goretzka, der zudem den Vorteil hat, dass er im Verein neben Kimmich spielt. Über kurz oder lang könnte es bei der WM darauf hinauslaufen, dass Flick auf einen Bayern-Block setzt, was Goretzkas Chancen deutlich erhöht.

In Frage kommt für die Position theoretisch noch ein weiterer Münchner. Jamal Musiala hat im Frühjahr gegen die Niederlande als Sechser gespielt und für seine Interpretation der Rolle viel Lob eingesackt. Aber Musiala wird eher weiter vorne benötigt.

Außenbahn offensiv
Hansi Flick könnte sich die Sache einfach machen: Rechts lässt er Serge Gnabry spielen, links Leroy Sané – und fertig ist die Bayern-Flügelzange.

Vermutlich wäre es früher oder später auch so gekommen. Aber für das Spiel gegen Japan muss der Bundestrainer jetzt erst einmal umdisponieren. Sané fehlte am Dienstagmorgen beim Abschlusstraining. Er hat sich eine noch nicht näher spezifizierte Knieverletzung zugezogen, die auch einen Einsatz gegen die Japaner unmöglich macht.

Der Bundestrainer hat jetzt die Wahl, ob er Gnabry links oder rechts spielen lässt. An dem Münchner führt aktuell kein Weg vorbei. Im deutschen Kader ist er der Spieler mit der besten Form. In den jüngsten elf Pflichtspielen schoss Gnabry für seinen Verein sieben Tore, sechs weitere bereitete er vor. Mit entsprechend großem Selbstvertrauen blickt der Offensivspieler seiner ersten WM entgegen.

Serge Gnabry ist im Kader der Deutschen einer der Spieler mit der aktuell besten Form.
Serge Gnabry ist im Kader der Deutschen einer der Spieler mit der aktuell besten Form.

© Foto: REUTERS

Der Bundestrainer schätzt aber auch Jonas Hofmann sehr, der über ein gutes Gespür für den Raum verfügt. Bekäme Gnabry Sanés Platz auf der linken Seite, könnte der Gladbacher Hofmann auf rechts beginnen. Thomas Müller (der explizit für die Zentrale vorgesehen ist) und Karim Adeyemi (der nicht die nötige Turnierform mitbringt) sind nur in der Theorie weitere Optionen für Flick.

Zehn
Serge Gnabry sagt, dass er am liebsten hinter der Spitze spielt. Dieser Wunsch aber dürfte für ihn bei der WM in Katar unerfüllt bleiben. Zum einen, weil Gnabry woanders dringender benötigt wird; zum anderen, weil für die Zehnerposition genügend andere Kandidaten bereit stehen. Nirgends ist die Qualität so hoch wie im offensiven zentralen Mittelfeld.

Thomas Müller hat sich nach seiner Verletzung rechtzeitig wieder fit gemeldet. „Er ist voller Ehrgeiz, voller Anspannung“, sagt Gnabry. Allerdings hat der Münchner Ende September zuletzt über 90 Minuten gespielt, so dass ihm andere Kandidaten aktuell ein Stück voraus zu sein scheinen.

Mario Götze gehört wieder dazu, außerdem Kai Havertz. Auch Ilkay Gündogan kann die Zehnerposition besetzen – für den Fall, dass Flick in der Defensive auf Leon Goretzka setzt.

Jamal hat das gewisse Etwas.

Bundestrainer Hansi Flick über Jamal Musiala

„Es gibt viele Spieler, die als Zehner spielen können“, sagt auch Jamal Musiala. Aber es wäre schon eine ziemliche Überraschung, wenn Flick sich für jemand anderen entscheiden sollte als: Jamal Musiala.

Der Münchner, 19 Jahre alt, hat das Publikum in dieser Saison Woche für Woche aufs Neue verzückt. Auch den Bundestrainer. „Jamal hat das gewisse Etwas“, sagt Flick. „Er weiß sich in engen Räumen zu behaupten, ist dribbelstark, kann Situationen lösen, die uns in einen Vorteil bringen, hat einen guten Abschluss. Und er ist auch in der Defensive sehr geschickt.“

Sturm
Die Nation atmet auf. Niclas Füllkrug, dank seines Siegtores gegen die Fußballweltmacht Oman neuer Liebling des Fußballvolkes, hat seinen grippalen Infekt überstanden und ist einsatzbereit für den WM-Auftakt gegen Japan. Vielleicht sogar für die Startelf?

In den Planungen des Bundestrainers war (und ist) Füllkrug nicht die erste Option. Aber im einzigen WM-Test gegen Oman hat der Bremer immerhin gezeigt, welche Fähigkeiten es sind, die er den meisten seiner Kollegen in der Nationalmannschaft voraus hat und die ihm im fortgeschrittenen Alter von 29 Jahren die erste WM-Teilnahme ermöglicht haben.

Füllkrug ist der klarste Mittelstürmer in Flicks Kader. Aber das heißt nicht, dass ihm die Mittelstürmerrolle automatisch angetragen werden wird. Vielleicht benötigt der Bundestrainer den Platz auch für Thomas Müller, falls er den Münchner unter allen Umständen in seiner Mannschaft unterbringen will.

Der aussichtsreichste Kandidat aber heißt aktuell Kai Havertz. Beim FC Chelsea ist er erfolgreich vom offensiven Mittelfeldspieler zum Mittelstürmer umgeschult worden. Auch Serge Gnabry käme für die Rolle noch in Frage. „Das wäre für mich auch eine Option“, sagt er selbst. „Bevor ich auf der Bank sitze.“ Davon ist nicht auszugehen.

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