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Kanzler Scholz blickt verhalten optimistisch auf den Winter.

© AFP / Jens Schlueter

„Wir kriegen die Preise in den Griff“: Scholz gibt sich zuversichtlich, einen konkreten Plan gibt es vorerst nicht

Olaf Scholz hat die Sozialpartner zur zweiten konzertierten Aktion eingeladen. Doch zentrale Fragen bleiben offen. Beantworten soll sie eine Gas-Kommission.

| Update:

Betriebe, Beschäftigte und Konsumenten müssen sich in Geduld üben und weiter die hohen Energiepreise zahlen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte am Donnerstag nach der zweiten Sitzung der konzertierten Aktion, „die Bundesregierung lässt niemand mit der Last allein“.

Doch wie der von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angekündigte Schutzschirm für den Mittelstand aussieht, ist ebenso offen wie die Umverteilung der so genannten Zufallsgewinne auf dem Strommarkt von den Konzernen zu den Verbrauchern.

Zur Lösung des größten Problems, den hohen Gaspreisen, setzt die Regierung eine Expertenkommission ein, die bis Ende Oktober Vorschläge machen soll.

Den Vorsitz dieser Gaskommission übernehmen Industriepräsident Siegfried Russwurm, der Vorsitzende der Chemiegewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, sowie die Wirtschaftssachverständige Veronika Grimm. Grimm war im Frühjahr mit einem Plädoyer für ein Gas-Embargo gegen Russland aufgefallen. 

Im November ist das nächste Treffen

Die so genannte konzertierte Aktion, die erstmals in den 1960er Jahren in Westdeutschland als Instrument der Krisenpolitik ausprobiert worden war, hatte Scholz im Sommer reanimiert.

Sozialpartner, Minister, Sachverständige und Bundesbankpräsident trafen sich erstmals Anfang Juli zum Gedankenaustausch im Kanzleramt.

Ein drittes Gespräch kündigte der Kanzler für den November an. „Wir werden durch diesen Winter kommen“, sagte Scholz am Donnerstagnachmittag, und „wir werden das Preisproblem in den Griff bekommen“.

Russwurm und Vassiliadis leiten Kommission

Da darf man gespannt sein, denn in den kommenden Monaten wird eine Inflationsrate von zehn Prozent erwartet.

Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi äußerte sich nach dem Treffen gemeinsam mit Scholz und Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Man habe zur Kenntnis genommen, dass „Hilfen und Schutzschirme für die Wirtschaft noch in der Planung sind“, sagte Fahimi und forderte eine zweite Energiepreispauschale von 500 Euro, nachdem die Regierung im Rahmen ihrer Hilfspakete 300 Euro beschlossen hat.

Wir freuen uns über die Zusage des Bundeskanzlers, dass es weitere Entlastungen geben wird.

Rainer Dulger, Arbeitgeberpräsident

Arbeitgeberpräsident Dulger freute sich „über die Zusage des Bundeskanzlers, dass es weitere Entlastungen geben wird“. Dulger, Scholz und Fahimi nahmen Stellung zu der Sonderzahlung von 3000 Euro, die von der Regierung im Rahmen des dritten Entlastungspakets angekündigt worden war.

Er habe das Angebot gemacht diesen Betrag, der zusätzlich zum Arbeitseinkommen vom Arbeitgeber gezahlt werden könne, von Steuern und Abgaben zu befreien, sagte Scholz. „Manche Unternehmen werden das nicht vom ersten Tag und nicht in voller Höhe zahlen können“, meinte Dulger dazu.

Die Zahlung sei aus seiner Sicht ein „freiwilliges, flexibles Instrument“, über das die Arbeitgeber entscheiden.

Verdi will für die 3000 Euro streiken

In den vergangenen Tagen hatte es zahlreiche Vorbereitungstreffen der so genannten Sherpas gegeben. „Beide Seiten wurden vom Kanzleramt ins Gebet genommen“, hieß es zu den weit auseinander liegenden Vorstellungen.

Dabei waren sich Arbeitgeber und Gewerkschaften zumindest in der Einschätzung einig, dass die Politik handeln muss, um die Energiepreise zu drücken.

In einigen Regionen sind die Energiekosten höher als die Kaltmiete.

Axel Gedaschko, Präsident der Wohnungswirtschaft

„Deutschland braucht unverzüglich einen Gaspreisdeckel, um hunderttausende Mieterinnen und Mieter sowie zahlreiche sozial orientierte Wohnungsunternehmen vor dem Ruin zu retten“, forderte der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft am Donnerstag.

In einigen Regionen müssten Mieterhaushalte mit geringen Einkommen bereits mehr für Energie als für die Kaltmiete zahlen. „Das ist eine soziale Katastrophe und gesellschaftlicher Sprengstoff“, meinte Axel Gedaschko, Präsident des Verbandes, der rund 3000 Unternehmen mit sechs Millionen Wohnungen und 13 Millionen Mieter vertritt.

Wenn kein Gaspreisdeckel komme, müssten die Haushalte 2022 im Schnitt zwischen 1360 Euro im günstigsten Fall und bis zu 3800 Euro in der Spitze mehr für Energie ausgeben als 2021.

„Es ist fünf nach zwölf“, sagte Gedaschko, doch die Politik „verstrickt sich in immer komplizierteren und hochbürokratischen Einzelregelungen, die am Ende in der Praxis nicht umsetzbar sind“.

Die bisherigen Krisenpakete seien „kleinteilige, bürokratische Pflaster, um die Auswirkungen der Energiepreisexplosionen abzumildern“.

Der Gaspreisdeckel sei die einzige wirksame Lösung, da Preissteigerungen so erst gar nicht bei den Menschen ankommen. Mindestens bis Ende Oktober wird sich Gedaschko gedulden müssen.

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