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Wirtschaft: „ Schröder hätte sein Ziel erreichen können“

Der Sachverständige Bert Rürup über die Hartz-Vorschläge

Herr Professor Rürup, wie viele Arbeitslose hätten wir heute, wenn die Hartz-Pläne vor einem Jahr umgesetzt worden wären?

Weniger, Schröders Ziel von 3,5 Millionen Arbeitslosen wäre vermutlich erreicht worden und der Bundeskanzler hätte jetzt ein Wahlkampfhandicap weniger. Die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen würden die Vermittlungs- und Suchintensität erhöhen und die Einstellungsbarrieren bei den Arbeitgebern senken. Auf jeden Fall hätten wir im Westen weniger Arbeitslose. Im Osten ist die Situation anders, da gibt es zu wenig Arbeitsplätze.

Wie erklären Sie das späte Agieren der Bundesregierung?

Die Beschäftigungsstrategie war eine Art Schönwetterstrategie, weil sie im Wesentlichen auf Wachstum gesetzt hat. Der Konjunktureinbruch hat der Regierung einen Strich durch die Rechnung gemacht. Zusätzliche Arbeitsplätze gibt es aber erst ab einer Wachstumsrate von mindestens 1,8 Prozent.

Kann das Wachstum forciert werden?

Ich befürchte, dass wir auf Grund von Fehleinschätzungen und Fehlern bei der Wiedervereinigung noch einige Jahre kein beschäftigungsintensives Wachstum erwarten können. Ich sehe den längerfristigen Wachstumspfad unter den derzeitigen Bedingungen bei etwa 2,5 Prozent.

Und das reicht für den Arbeitsmarkt?

Wenn die Wirtschaft nicht stärker wächst, dann gibt es nur die Möglichkeit über Deregulierung und Flexibilisierung zu mehr Beschäftigung zu gelangen, also das Wirtschaftswachstum über eine Senkung der Beschäftigungsschwelle beschäftigungsintensiver zu machen.

Das heißt konkret?

Schrittweise Kürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld auf generell ein Jahr, mehr Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen, mehr Zeitarbeit, Anreize zur Ausweitung des Niedriglohnbereichs, Integration von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, für arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger Sozialhilfe als Lohnergänzungsleistung.

Das ist nahezu identisch mit den Hartz-Vorschlägen.

Die ersten Vorschläge der Hartz-Kommission waren innovativ und zweifellos Schritte in die richtige Richtung. Nur: Wer Deregulierung fordert, muss sagen, dass dies eine Umverteilung von sozialen Risiken zu Lasten der Beschäftigten bedeutet, freilich mit verbesserten Beschäftigungschancen der arbeitslosen „Outsider“.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

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