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Wirtschaft: 10 000 Lipobay-Opfer klagen gegen Bayer

Drohende Prozesse und schwacher Ausblick lassen Aktie des Pharma- und Chemiekonzerns einbrechen

Berlin (pet). Der Chemie und Pharmakonzern Bayer hat im zweiten Quartal Umsatz und Gewinn deutlich gesteigert, aber einen nur verhaltenen Ausblick auf das Gesamtjahr gegeben. „Von der Konjunkturentwicklung dürfen wir vorerst keine Unterstützung unserer Geschäfte erwarten“, sagte Konzernchef Werner Wenning am Mittwoch. Um so intensiver will er die internen Maßnahmen zur Restrukturierung vorantreiben. Wenning geht unverändert davon aus, dass das operative Ergebnis im Gesamtjahr zweistellig wachsen wird. Im Vorjahr hatte es sich fast halbiert.

Die Bayer-Aktie rutschte bis zum Handelsschluss trotzdem um 6,5 Prozent auf 19,90 Euro nach unten und war damit größter Verlierer im Dax. Bayer hatte im zweiten Quartal zwar den operativen Gewinn auf 454 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich gesteigert, lag dabei aber etwas unter den durchschnittlichen Erwartungen der Analysten. Der Umsatz sank wegen des starken Euro im zweiten Quartal erwartungsgemäß um 3,3 Prozent auf 7,3 Milliarden Euro. „Grund für den Kurseinbruch sind eher die drohenden Klagen und der sehr moderate Ausblick auf das zweite Halbjahr“, sagt ein Pharmaanalyst. Alexander Kachler von Merck & Finck sagte: „Der Ausblick enthält nichts wesentlich Neues. Das negative Ausmaß einzelner Segmentergebnisse hat überrascht.“

Nach Mitteilung von Bayer ist die Zahl der Klagen im Zusammenhang mit dem Cholesterinsenker Lipobay (siehe Lexikon, Seite 18) bis zum 1. August auf 10 100 gestiegen. Ende Juni waren erst 9400 Klagen anhängig. Bis Anfang August hat Bayer mit 1211 Opfern – ohne eigenes Schuldeingeständnis – einen Vergleich geschlossen, die Gesamtsumme beläuft sich auf umgerechnet 378 Millionen Euro. Darüber hinaus befinde sich das Unternehmen mit mehreren Hundert weiteren Klägern in Vergleichsverhandlungen, teilte Bayer mit. Das Unternehmen sei auch weiter bereit, die Fälle zu vergleichen, in denen die Kläger schwere Nebenwirkungen durch das Produkt erlitten hätten. Ein außergerichtlicher Vergleich ist für den Beklagten meistens günstiger als ein Urteil.

Mit Spannung erwarten Analysten, ob eine weitere Lipobay-Sammelklage in den USA zugelassen wird. „ Das würde dem Kurs sicher nicht gut tun“, sagte ein Pharma-Analyst. Für Kläger wäre es dann einfacher, Forderungen gegen Bayer durchzusetzen. Bislang hat Bayer zwei US-Prozesse in Zusammenhang mit Lipobay gewonnen. „Das spricht für sich“, sagte Analyst Kachler.

Offenbar drohen dem Konzern aber nicht nur wegen Lipobay gerichtliche Auseinandersetzungen. Bayer gab am Mittwoch bekannt, dass es Produkthaftungsprozesse wegen des Bayer-Wirkstoffs Phenylpropanolamin (PPH) geben könnte. Der Wirkstoff war nach Bayer-Angaben in Erkältungs- und Diätmitteln verschiedener Hersteller enthalten und war auf Empfehlung der US-Gesundheitsbehörde FDA im Jahr 2000 in den USA von Bayer und anderen Unternehmen freiwillig ausgetauscht worden. Bayer hat eingeräumt, dass in beiden Verfahren die Summe der Entschädigungszahlungen die Versicherungssumme übersteigen könnte.

Überraschend gut angesichts der wachsenden Konkurrenz von Billigkopien hat sich der Verkauf des Milzbrand-Antibiotikums Ciprobay und des Bluter-Medikaments Kogenate im zweiten Quartal entwickelt. Bei dem Erektionsmittel Levitra erwartet Bayer die US-Zulassung im dritten Quartal. Dort gibt es allerdings mit Viagra (Pfizer) und Cialis (Eli Lilly) bereits zwei Konkurrenzprodukte.

In der Landwirtschaftssparte Crop Science geht der Konzern davon aus, dass das zweite Halbjahr saisonbedingt und aufgrund hoher Integrationsaufwendungen schwächer wird. Bayer hatte Crop Science 2001 von Aventis gekauft. Wegen des schwachen Dollar und hoher Rohstoffkosten rechnet Bayer auch im Industriegeschäft mit Ergebnisbelastungen.

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