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Zukunft der Arbeit. Für viele wird es immer schwieriger, unbefristete Stellen zu finden – nicht nur nach der Ausbildung. Foto: dpa

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Wirtschaft: 13 Arbeitsverträge in elf Jahren

EuGH: Kettenbefristungen prinzipiell zulässig - mit einer Einschränkung.

Berlin – Elfeinhalb Jahre lang arbeitete sie für das Kölner Amtsgericht, von 1996 bis 2007. Während dieser Zeit hangelte sich die Justizangestellte sich von einem befristeten Arbeitsvertrag zum nächsten. Insgesamt 13-mal unterschrieb sie, fast jedes Mal vertrat sie Kollegen, die in Elternzeit waren. Doch irgendwann hatte sie genug und forderte, dass der letzte Jahresvertrag, den sie im Dezember 2006 unterschrieben hatte, entfristet werde. Das Land Nordrhein-Westfalen sperrte sich, und die Angestellte reichte Klage ein.

Das war vor vier Jahren. Am Donnerstag urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass eine 13-malige Befristung prinzipiell rechtens sei, solange ausreichende Gründe dafür vorlägen. „Bei der Beurteilung der Frage, ob die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages im Einzelfall durch einen sachlichen Grund wie den vorübergehenden Bedarf an Vertretungskräften gerechtfertigt ist, müssen die nationalen Behörden jedoch alle Umstände dieses Einzelfalls einschließlich der Zahl und der Gesamtdauer der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen befristeten Verträge berücksichtigen“, heißt es in einer Erklärung des Europäischen Gerichtshofs.

Der Berliner Arbeitsrechtler Jens von Wedel misst dem Urteil nicht allzu viel Bedeutung bei. „Ich glaube nicht, dass die Entscheidung des EuGH die rechtliche Situation der Arbeitnehmer in Deutschland verbessern oder verschlechtern wird.“ Es habe lediglich auf Anfrage des Bundesarbeitsgerichts allgemein festgestellt, dass sogenannte „Kettenbefristungen“ im Vertretungsfall auch nach dem Recht der Europäischen Union rechtmäßig sein können. „Allein aus der häufigen Befristung innerhalb einer bestimmten Zeit lässt sich auch nach europäischem Recht nicht schlussfolgern, dass es für die Befristung keinen ,sachlichen Grund’ gibt.“

Trotzdem sieht Helge Rust, der Anwalt der Klägerin, das Urteil nicht negativ für seine Mandantin. Natürlich verbiete der Europäische Gerichtshof keine befristeten Arbeitsverträge und schon gar nicht zwinge er Arbeitgeber, Vertretungskräfte fest anzustellen. „Doch der Gerichtshof hat klar und deutlich gesagt, dass auch auf die Umstände des Einzelfalles geachtet werden muss“, sagte er dem Tagesspiegel.

Zu unterscheiden sind im deutschen Recht zwei Arten der Befristung. Zum einen gibt es sogenannte sachgrundlose Befristungen, also Verträge, die ohne Angabe von Gründen befristet sind. Diese dürfen nur höchstens dreimal verlängert werden und insgesamt nicht länger als zwei Jahre laufen. Zum anderen gibt es Sachgrundbefristungen, wie im Fall der Klägerin, bei denen Gründe für die Befristung vorliegen, zum Beispiel eine Krankheitsvertretung. Hier gelten bislang keine Obergrenzen. „Es ist nicht unvorstellbar, dass hier nicht das gleiche Prinzip wie bei sachgrundlosen Befristungen gelten könnte und sollte, nur mit ausgedehnteren Fristen“, sagt Arbeitsrechtler Rust und hofft auf die endgültige Entscheidung.

Die Klage geht jetzt zurück ans Bundesarbeitsgericht, das den Fall zwischenzeitlich wegen eines Vorabersuchens nach Straßburg überwiesen hatte. Rust ist zuversichtlich, dass die Erfurter Richter dann zu einem Urteil im Sinne seiner Mandantin kommen. Mit einer endgültigen Entscheidung rechnet er nicht vor November. Anna-Sophie Sieben

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