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Wirtschaft: 145 Firmen suchen auf dem Cebit Job Markt nach neuen Mitarbeitern - doch die Umworbenen sind wählerisch

Eine blonde junge Frau verteilt Handzettel auf der Computermesse Cebit. Sie trägt ein knappes schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift "Internet Programmierer gesucht" quer über der Brust.

Eine blonde junge Frau verteilt Handzettel auf der Computermesse Cebit. Sie trägt ein knappes schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift "Internet Programmierer gesucht" quer über der Brust. Näheres steht auf den Handzetteln. Mit weiblichen Reizen versucht die Hamburger Firma Solve.IT begabten Nachwuchs für das Internet Systemhaus zu gewinnen: Mindestens zwei Programmierer werden gesucht. "Mindestens - Programmierer können wir nicht genug haben", sagt Anne-Kristin Schollenberger von Solve.IT. "Wir mussten schon Aufträge ablehnen, weil uns die Leute fehlten." Die Mitarbeiterin, die die Handzettel verteilt, komme gut an, sagt Schollenberger. "Wir hatten schon einige Bewerber."

Die Cebit ist nicht nur die weltgrößte Messe für Informations- und Kommunikationstechnik, sie ist gleichzeitig ein wichtiger Personalmarkt. Schon immer wurden am Rande der Messe Bewerbungsgespräche geführt. In diesem Jahr gibt es erstmals in Halle zehn auf zwei Etagen einen Cebit Job Markt. 145 Unternehmen suchen hier nach neuen Mitarbeitern. Hier steht auch Axel Uhl, Leiter Recruitment und Marketing beim Debis Systemhaus, auf einem kleinen Podium und stellt sein Unternehmen etwa einem dutzend Zuhörer vor. "Für uns ist das eine klare Marketingaktivität. Wir wollen uns hier als attraktiver Arbeitgeber präsentieren."

Die großen wie die kleinen Unternehmen der Informationstechnik (IT) haben eines gemeinsam: Händeringend suchen sie nach qualifizierten Mitarbeitern, um weiter wachsen zu können. Arbeit gibt es genug, qualifiziertes Personal ist dagegen Mangelware. "Wir suchen Leute aus allen Berufen im IT-Umfeld", sagt Uhl. Und zählt auf: Systementwickler, Vertriebsleute, Netzwerkspezialisten und so weiter. Mit etwa 1000 Bewerbern wolle er und sein 20-köpfiges Team auf der Cebit sprechen. Er hofft, dass am Ende etwa 200 Bewerbungen übrig bleiben, die intensiv geprüft werden können. 1999 hat debis 2900 Mitarbeiter in Deutschland eingestellt. "Wir wollen weiter mit dem gleichen Tempo wachsen", sagt Uhl.

Ein erstes Bewerbungsgespräch in einer der vielen kleinen Firmenpräsentationsstände hat Dainius Petkevicius bereits hinter sich. Er ist gekommen, weil Bundeskanzler Gerhard Schröder auf seiner Eröffnungsrede zur Cebit angekündigt hatte, dass es für ausländische Spezialisten künftig leichter sein werde, in Deutschland einen Job zu bekommen. Aber Petkevicius glaubt nicht daran. Er kommt aus Littauen, hat dort Physik studiert und promoviert. Ein paar Jahre habe er als Ausländer in Deutschland gelebt, keiner habe ihn eingestellt, trotz seines Fachwissens und guter Sprachkenntnisse. "Jedes Land schützt seinen Arbeitsmarkt", sagt er. Mittlerweile hat er einen deutschen Pass und arbeitet als Lehrer. Auf der Cebit sieht er sich nach neuen Möglichkeiten um. "Es ist ein gutes Gefühl, auch woanders gebraucht zu werden." Doch Petkevicius ist wählerisch. Am Stand von Bayer etwa, geht der 35-Jährige vorbei. "Die sind so von obenherab, das gefällt mir nicht. Die sollten Leute mit mehr Menschenkenntnis schicken."

Die Zurückhaltung der Werber aus den Unternehmen verwundert den 23-jährigen René aus Stuttgart. "Ich hatte mit vorgestellt, dass die Leute auf mich zukommen. Sie warten aber, dass man selber kommt." René kann zwar kein Studium vorweisen, hat aber bereits drei Jahre Berufserfahrung als Software-Entwickler in einem Sieben-Mann-Betrieb. Er will wissen, was er in einem größeren Unternehmen verdienen könnte. "Das Gehalt ist das wichtigste. Es reicht mir nicht, später viel Geld zu verdienen, ich will es jetzt."

Ein Aussteller bietet eine individuelle Gehaltsanalyse an, wenn man den Computer mit seinen Angaben zu Ausbildung und Berufserfahrung füttert. Dort ist die Schlange der Interessenten am längsten. "Viele Bewerber fragen, wie sie an die Aktien kommen", sagt eine Mitarbeiterin am Stand der Siemens-Tochter Infineon, die gerade vor dem Börsengang steht. Mit Aktienoptionsprogrammen und der Aussicht, damit reich zu werden, versuchen viele Unternehmen der IT-Branche, die wertvollen Mitarbeiter an sich zu binden.

Ums viele Geld, das sie verdienen könnte, geht es der 28-jährigen SAP-Beraterin aus Berlin nicht. "Ich suche neue Herausforderungen." Ihren Namen will sie nicht nennen, die Unternehmensberatung, bei der sie zurzeit arbeitet, soll nichts von ihren Plänen erfahren. "Ich möchte ins E-Businness einsteigen, mein jetziger Arbeitgeber nicht, obwohl das der Markt der Zukunft ist." Im Gegensatz zu vielen anderen Bewerbern, die sich hier nur einen Überblick über die Möglichkeiten verschaffen wollen, hat sie ihren Cebit-Besuch vorbereitet und vorher Termine gemacht. Die Gespräche hat sie nicht auf dem Job Markt, sondern direkt in den Hauptständen der Firmen auf der Messe geführt. Dort gibt es diskretere Orte für diese Gespräche. "Oben auf dem Stand im ersten Stock wird man nicht gesehen", sagt sie. Ein Jobangebot hat sie bereits abgelehnt, andere will sie prüfen. "Ich werde hier noch keinen Vertrag unterschreiben, schließlich kann ich es mir aussuchen."

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