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Wirtschaft: 150 Hühner in einer Minute

Neue Maschinen fangen Hühner ein und stecken sie in Käfige/Deutlich weniger Tiere werden verletzt

Von Scott Kilman,

Ellijay/Georgia

Für Geflügelzüchter ist es frustrierend, dass Hühner nicht die Straße überqueren. Schweine und Rinder irgendwohin zu treiben, sei ein Kinderspiel – nicht aber Hühner, sagt Paul S. Berry von der landwirtschaftlichen Forschungseinrichtung Silsoe aus Großbritannien, die seit Jahrzehnten das Problem erforscht. Und weil das Federvieh so schwer steuerbar ist, müssen viele Menschen als Treiber und Fänger eingesetzt werden. Sie laufen auf Hühnerfarmen zwischen den Tieren herum und versuchen, sie mit der Hand zu packen. Weltweit immerhin mehr als acht Milliarden Tiere im Jahr. Für Hühner und Angestellte ist das eine Tortur. Die Vögel schlagen mit den Flügeln um sich, kratzen und lassen Kot. Die meisten Menschen halten das nur wenige Monate aus, bevor sie ihren Job hinschmeißen und die Geflügelfabriken verlassen.

In der Geflügelzucht müssen Hühner eingefangen werden, weil sie – anders als Eier legende Hühner in Legebatterien – in riesigen Scheunen frei herumlaufen. In den Käfig kommen sie nur für den kurzen Transport zum Schlachthof. Bislang scheiterten alle Versuche, Maschinen zu entwickeln, die Hühner fangen und in Käfige stecken. Doch nun hat die Industrie es geschafft. Es sind jetzt Geräte auf dem Markt, die 150 Vögel pro Minute fangen. Das entspricht der Leistung von zehn erfahrenen Arbeitskräften. „In der Automatisierung liegt die Zukunft“, sagt der Branchenkenner Brad Cole. Er ist Manager beim US-Fleischproduzenten Tyson Foods und arbeitet auf einem Schlachthof im Bundesstaat Georgia, dem Bundesstaat wo die meisten amerikanischen Geflügelzüchter sitzen. Cole steht in einer schwach erleuchteten Hühnerfarm und sieht zu, wie eine der neuen Fangmaschinen zeigt, was sie drauf hat. Das Fabrikat heißt PH2000 und stammt vom Unternehmen Lewis/Mola LLC.

Die Maschine taucht aus dem düsteren und staubigen Hühnerhaus auf, das so lang wie ein Fußballfeld ist. Hunderte flauschiger weißer Vögel legen ihren Kopf zur Seite und glotzten. Der 8,1 Tonnen schwere, 13 Meter lange Apparat kommt näher, und bewegt dabei langsam eine niedrige Metall-Rampe wie eine riesige Sense hin und her durch die Hühnerschar. Die Tiere heben ihre Füße, um der Maschine auszuweichen - und finden sich plötzlich auf der Rampe wieder. Als die Rampe voller wird, werden die Hühner auf ein Laufband gedrängt. Und zack! Das Laufband schleudert jedes Huhn in eine kleine Kammer, ein Luftstrahl drückt das Tier auf eine Metallrutsche und Sekunden später findet sich der Vogel in einem Drahtkäfig wieder.

Großen Geflügelzüchtern wie Tyson, Perdue Farms und Pilgrim`s Pride gefällt die Maschine – obwohl sie bis zu 170000 Euro kostet. Auch Tierschutzgruppen wie die „People for the Ethical Treatment of Animals“ sind von den automatischen Hühnerfängern angetan. Der Grund: Die Maschinen gehen glimpflicher mit den Vögeln um als Menschen. „Wir unterstützen den Einsatz von Maschinen, weil sie die Panik und Angst der Hühner verringern“, sagt Karen Davis von der Tierschützervereinigung United Poultry Concerns. Die Gruppe ist gegen den Verzehr von Hühnerfleisch und hat ein Vogelschutzgebiet für die wenigen glücklichen Hühner eingerichtet, die entkommen; meist, indem sie von einem Lastwagen fallen.

Warum sind Menschen die brutaleren Hühnerfänger? Die Arbeitskräfte von Hühnerfarmen packen die Tiere an den Beinen, und tragen mehrere Hühner in jeder Hand mit dem Kopf nach unten. „Die Vögel geraten außer sich, wenn sie mit dem Kopf nach unten gehalten werden“, sagt Michael P. Lacy, Hühnerexperte von der Universität von Georgia. „So lange sie auf den Füßen stehen, haben sie das Gefühl, Herr der Lage zu sein. Das ist wie bei Menschen.“ Es gibt weitere Qualen für die Tiere. Das hängt mit der Fangnorm der Hühnerfänger zusammen: Sie müssen 1000 Vögel pro Stunde fangen. Weil die Männer in den Acht-Stunden-Schichten müde werden, kommt es häufig vor, dass die Vögel gegen die Käfige schlagen und sich Flügel und Beine brechen. In manchen Hühnerfarmen ist fast eine Viertel des Bestandes verletzt. Fangmaschinen verringern die Verletzungsgefahr um 50 Prozent.

Von der geringeren Verletzungsgefahr profitieren Hühner und Züchter. Ein verletztes Huhn kommt für die Fleischtheke eines Supermarktes nicht mehr in Frage. Der Züchter kann es nur noch zu einem geringeren Preis verkaufen; etwa an die Tiernahrungs-Industrie. Hinzu kommt, dass die Fastfood-Branche auf den Einsatz von Fangmaschinen dringt. Der Grund: Sie stellt damit der Öffentlichkeit unter Beweis, dass ihr das Wohl der Tiere am Herzen liegt. So ermutigt McDonalds seine Lieferanten, mindestens die Hälfte der jährlich gelieferten Tiere von Maschinen fangen zu lassen. Vieles wurde ausprobiert, um das Fangen von Hühnern zu mechanisieren. So wurde ein Vakuum-Gerät entwickelt. Das saugte die Vögel auf und schoss sie durch Röhren auf den Lastwagen. Aber die Vögel verstopften oft die Röhren und schlugen Saltos. „Zu viele starben“, erinnert sich Buddy Buruuss von der Firma Tip Top Poultry, die das Gerät vor zwanzig Jahren ausprobierte, aber den Test schnell aufgab. Der technische Durchbruch für mechanische Hühnerfänger kam schließlich in Europa. Dort stehen die Geflügelzüchter unter größerem Druck durch Tierschützer.

Scott Kilman[Ellijay, Georgia]

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