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Wettlauf. In den Städten wird es eng, vor allem für Dieselfahrzeuge.

© Getty Images/iStockphoto

200 Jahre Fahrrad: Mobilität für Millionen

Zuerst war das Fahrrad, dann kam das Auto. Lange schien der Wettbewerb entschieden – doch das Rad nimmt Fahrt auf.

Ohne die Pioniere des Fahrradbaus würde es das Auto vielleicht nicht geben. Carl Benz ist dafür ein Beispiel. Als der Erfinder des Automobils 1886 seinen Motorwagen in Mannheim zum Patent anmeldete, rollte das Gefährt auf Felgen der Frankfurter Fahrrad-Manufaktur Kleyer. Die war damals mit ihren Hochrädern im Geschäft. Um das Gewicht seiner Maschine zu reduzieren, verwendete Benz hohle Gasrohre – eine Idee, die er von amerikanischen Fahrradkonstrukteuren kopierte. Auch ein anderer Name steht für die Nähe von Auto und Fahrrad: Opel. Im gleichen Jahr, in dem Carl Benz seinen Motorwagen patentieren ließ, konstruierte Adam Opel in Rüsselsheim sein erstes Hochrad. „Das Vergnügen des Radfahrens ist keinem Alter und Stand verschlossen“, schrieb Opel. „Selbst Damen und älteren Herren bietet das Dreirad Gelegenheit zu gesunder Erholung.“ Ein knappes halbes Jahrhundert später, 1927, war Opel größter Fahrradhersteller der Welt.

Laufmaschine. Karl Drais unternahm die erste Fahrt mit seiner Laufmaschine am 12. Juni 1817.
Laufmaschine. Karl Drais unternahm die erste Fahrt mit seiner Laufmaschine am 12. Juni 1817.

© Technoseum

Heute, im 200. Jubiläumsjahr der Fahrraderfindung, wandeln sich Auto und Rad technologisch und gesellschaftlich. Elektromobilität, Verkehrskollaps, Klimaschutz, Gesundheit – die Diskussion, wie wir uns in Zukunft fortbewegen wollen, ist in vollem Gange. Dabei rückt das Fahrrad immer mehr in den Fokus – nicht nur als Transportmittel, sondern auch als Statussymbol, als Klimaretter oder Fitnessmaschine. Übersehen wird dabei häufig: Fahrräder sind auf dem Globus die am häufigsten eingesetztenTransportmittel für Menschen und Güter. Und im vergangenen Jahr wurden weltweit mehr als 130 Millionen Fahrräder hergestellt – aber „nur“ knapp 83 Millionen Autos. Hierzulande gibt es gut 70 Millionen Fahrräder – und rund 45 Millionen Autos. Laut Statistischem Bundesamt kamen auf 100 Haushalte 184 Fahrräder – aber 105 Autos. Fast 1,9 Millionen deutsche Privathaushalte in Deutschland besitzen zudem ein Elektrofahrrad – die Zahl der elektrisch aufladbaren Pkw liegt hingegen aktuell bei weniger als 80 000.

Politik entdeckt das Rad als Klimaretter

Gerade in Zeiten von Dieselkrise und städtischen Fahrverboten gewinnen Fahrräder Freunde. „Das Rad ist eine Alternative zum Auto“, heißt es beim Zweirad-Industrie-Verband (ZIV). „Das sehen auch immer mehr Politiker so.“ Zwar ist die Dominanz des Autos im Pendlerverkehr, in Dienstwagenflotten oder in der Logistik unübersehbar. Rund zwei Drittel der Berufstätigen fahren täglich mit dem Pkw zur Arbeit. Doch die Bereitschaft, auf zwei Räder umzusteigen, wächst. So ist die Zahl der Großstädter, die das Rad als Verkehrsmittel nutzen, zwischen 2000 und 2015 um 40 Prozent gestiegen. Das Fahrrad holt auf – vor allem, wenn es mit Elektroantrieb unterwegs ist.

Das gilt nicht nur für die rein private Nutzung. Große Unternehmen wie die Telekom, die Commerzbank oder die Deutsche Bahn haben längst Firmen- und Dienstfahrräder im Einsatz. Bei der Bahn, die ihren Mitarbeitern seit September 2016 Firmenräder anbietet, sind es schon mehr als 3900. Seit Ende 2012 sind Dienstwagen und Dienstfahrrad steuerlich gleichgestellt, was das Modell für beide Seiten, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, attraktiv macht. Es gilt die Ein-Prozent-Regel. Das heißt, Arbeitnehmer versteuern den geldwerten Vorteil, den sie durch die Bereitstellung des Rades durch ihren Arbeitgeber haben, mit einem Prozent des Brutto-Listenpreises monatlich. Je teurer das Fahrrad, das auch privat genutzt werden kann, desto größer die Ersparnis. Die Leasingrate senkt die persönliche Steuerschuld und das Rad kann nach Ablauf der Laufzeit meist günstig gekauft werden.

Die Zahlen sprechen für das Fahrrad.
Die Zahlen sprechen für das Fahrrad.

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Der ZIV spricht von einem „großen Markt für Hersteller und Händler“. Bundesweite Zahlen gibt es zwar nicht, aber Leasinganbieter wie die Freiburger Firma Job-Rad berichten von großer Nachfrage. Seit 2008 nahm der Marktführer nach eigenen Angaben mehr als 3500 Unternehmen in Deutschland unter Vertrag, die rund einer Million Arbeitnehmern Diensträder zur Verfügung stellten.

Das rasante Wachstum der Elektrofahrräder (Pedelecs oder E-Bikes) bringt auch die Logistikbranche auf neue Ideen. Studien zufolge könnte die Hälfte aller motorisierten Warentransporte in Städten durch Lastenfahrräder übernommen werden. Der Berliner Senat will das bislang überschaubare Geschäft mit einer Förderung für Gewerbetreibende aus der Nische holen. Details sollen in Kürze feststehen. Große Anbieter testen derweil Lastenfahrräder auf der „letzten Meile“ zum Kunden. DHL zum Beispiel startete in der vergangenen Woche ein Pilotprojekt in Frankfurt (Main) und Utrecht, wo die Post-Tochter mit vierrädrigen „Cubicycles“ Pakete zustellt, deren Containerboxen Lasten bis zu 125 Kilogramm transportieren können.

Branche fordert Kaufprämie für E-Lastenräder

Um Lastenräder attraktiver zu machen, fordert die Zweiradbranche schon länger eine staatliche Kaufprämie nach dem Muster des „Umweltbonus“ für E-Autos. Frankreich zahlt seit dem 1. März bis zu 200 Euro Zuschuss für alle Fahrräder mit Elektroantrieb. Der ZIV schlägt für Deutschland 500 Euro vor. „Anders als die Autohersteller haben die Fahrradbauer Lösungen für die Elektromobilität gefunden“, sagt ein Sprecher. Nun sollte die Politik jene Nutzer belohnen, die daraus ein Geschäftsmodell machen wollten. Zu hören sei, dass man auch im „autogesteuerten“ Verkehrsministerium darüber nachdenke. Eine entsprechende Anfrage lässt das Ministerium unbeantwortet.

Die Fahrradsaison 2017 hat mit den ersten frühlingshaften Temperaturen begonnen. Der März ist für die Branche traditionell ein wichtiger Verkaufsmonat. Beim ZIV hofft man auf ein besseres Jahr als 2016. Wegen des schlechten Wetters sank der Fahrradabsatz im vergangenen Jahr insgesamt um rund acht Prozent auf gut vier Millionen Räder. Beim Umsatz (2015: 2,42 Milliarden Euro) legte die Branche aber nach Tagesspiegel-Informationen aus dem Verband zu. Ein Grund: Elektroräder verkaufen sich deutlich besser als erwartet. 2016 dürften es mehr als 600 000 gewesen sein (2015: 535 000).

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