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Wirtschaft: 32 Kilometer Straße ins offene Meer

China baut den Hafen von Schanghai massiv aus. Davon profitieren auch deutsche Logistikkonzerne

Schanghai - Ein Hafen in China, ausgerechnet hier ist es ruhig. Auf einer Insel gut 30 Kilometer vor der Küste warten Kräne auf ihre Kunden, die großen Containerschiffe aus aller Welt. Bisher hält sich der Andrang in Grenzen. Am späten Nachmittag bewegt sich kaum noch ein Kran. Aber am Horizont ist schon Nachschub zu sehen. Die nächsten Schiffe kommen bestimmt. Der Hafen Yangshan ist auch erst seit knapp einem Jahr in Betrieb. Und bevor sich die Behörden mit Sorgen darüber aufhalten, ob die Kais überhaupt gefüllt werden können, sind bereits die nächsten Ausbaustufen in Arbeit.

Das Ziel ist klar. In den Häfen Schanghais sollen bald so viele Container umgeschlagen werden wie sonst nirgends auf der Welt. Nur Singapur und Hongkong sind heute noch größer. Europäische Häfen wie Rotterdam oder Hamburg schlagen nicht einmal halb so viel um wie Schanghai. „Ende dieses Jahres wird voraussichtlich die Marke von 20 Millionen Standardcontainern (TEU) geknackt“, sagt Amanda Bai, Sprecherin der – staatlichen – Schanghai Lingang Gesellschaft für Logistikentwicklung. Das wäre ein Plus von 17 Prozent.

Das Problem, dass das Wasser vor der Küste der Millionenmetropole sehr seicht und damit für die Containerschiffe der neuesten Generation nicht mehr befahrbar ist, wurde auf urchinesische Art gelöst. Für den Hafen Yangshan wurden die Häuser der Fischer auf einer Insel, vor der das Meer tief genug ist, abgerissen – oder wie ein chinesischer Experte sagt: „verlegt“ – und die Verladeanlagen gebaut. Die angelandeten Container werden über eine 32 Kilometer lange Brücke per Lkw zwischen Hafen und Festland transportiert – direkt zu der am Reißbrett geplanten neuen Stadt Lingang für bis zu einer Million Einwohner, mit Anbindung an das Schienennetz und an Wasserstraßen, die bis zu 2000 Kilometer ins Landesinnere reichen.

Noch wird der Großteil des Containerverkehrs über Waigaoqiao, den bisherigen Haupthafen Schanghais inklusive Freihandelszone, abgewickelt. Doch bereits 2006 werde Yangshan eine Kapazität von mehr als 5,5 Millionen TEUs erreichen, erzählt Sprecherin Bai, Ende 2010 soll sie bei 15 Millionen TEUs liegen. Die Logistikfirmen haben sich bereits darauf eingestellt. 80 Prozent der für Lagerhäuser ausgewiesenen Flächen in Lingang seien bereits vergeben, sagt Bai. Europäische Marken wie Schenker oder Kühne und Nagel prangen bereits an einer großen Halle. DHL wird bald in direkter Nachbarschaft dazukommen.

Wem da in Deutschland angst und bange wird, weil er schon die Flut von billigen chinesischen Produkten auf den heimischen Märkten sieht, kann aber beruhigt werden. Ein Besuch in einem Lagerhaus von Schenker, der Logistiktochter der Deutschen Bahn, im Norden Schanghais zeigt, dass die Chinesen nicht nur verkaufen. Mit zunehmendem Wohlstand wird das Land auch Abnehmer für Importprodukte – und dabei geht es nicht nur um Kraftwerke oder Maschinen. Auf einem großen Tisch in dem Lager stehen Dutzende von kleinen Kartons, in die Schenker-Mitarbeiter zunächst chinesische Bedienungsanleitungen einlegen – und dann Zweitonhupen aus spanischer Produktion vom deutschen Bosch-Konzern. Nicht weit entfernt werden Scheibenwischer aus Belgien und indische Ersatzteile nach den Bestellungen zusammengestellt – ebenfalls mit der Marke Bosch.

An dem immer größeren Warenstrom, der zwischen den Kontinenten hin- und herschwappt, wollen eben auch deutsche Unternehmen wie die Deutsche Bahn verdienen. Bei der aktuellen Diskussion über einen Börsengang der Bahn steht das Schienennetz in Deutschland als Hauptstreitpunkt im Vordergrund. Doch die Bahn ist schon längst ein internationaler Logistiker geworden, der nicht nur Züge zwischen Köln und Berlin fährt. Das will die Bahn auch öffentlich demonstrieren. 2008 werden zum Beispiel die Athleten der Olympischen Spiele von Peking auf das Geschick von Schenker angewiesen sein.

„Für uns ist es wichtig, in China zu sein“, sagt Logistikvorstand Norbert Bensel. Man sei als Logistiker nur stark, wenn man gut in der Triade – also Europa, Amerika, Asien – aufgestellt sei und über ein globales Netz verfüge. „Es geht nicht, wenn man nur ein europäisches oder deutsches Netz hat“, sagt Bensel. Dafür hat der Konzern auch die Rückendeckung der Bundesregierung. Auf die Frage, ob der Staat an solch einem globalen Unternehmen beteiligt sein sollte, antwortet Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD): „Die DB AG hat eine hervorragende Entwicklung genommen als Konzern, der aufgrund von Wertschöpfungsketten national, europäisch und international denkt.“ Die nächsten 10 bis 20 Jahre sollte man sicher auf solch einen Konzern setzen.

Die letzte Vervollständigung der Wertschöpfungskette hat die Bahn Anfang des Jahres gut eine Milliarde Euro gekostet. So teuer war der US-Logistiker Bax Global. Jetzt läuft die Zusammenlegung der Geschäfte. In China werde der kombinierte Umsatz, den rund 3000 Mitarbeiter erwirtschaften, in diesem Jahr bei etwa 1,2 Milliarden Euro liegen, sagt Andrew Jillings, bisheriger China-Vorstandschef von Bax und jetzt an der Spitze auch der Schenker-Landesgesellschaft. Das Betriebsergebnis soll 59 Millionen Euro erreichen. Im Vergleich zum Vorjahr werde das Geschäft um etwa 20 Prozent zulegen, schätzt Jennings. „Wir müssen weiter wachsen“, sagt er – und sendet gleichzeitig ein beruhigendes Signal in Richtung Konzernzentrale in Berlin. „Wir schauen sehr genau auf die Finanzen.“ Aber das ist auch leichter als in anderen Märkten. Wird ein neues Büro im Land aufgemacht, dann ist klar, dass es bereits nach 60 Tagen Gewinne machen muss.

Dabei ergänzen sich die Geschäfte von Bax und Schenker. „Wir kümmern uns vor allem um Ersatzteile“, erzählt Schenker-Manager Henk Westerhoek. Bax sorgt dagegen für den Nachschub für produzierende Firmen. Im Lagerhaus der Amerikaner stapeln sich Displays aus Korea. Die werden im Freihafen zollfrei in Gehäuse montiert und als komplette Flachbildschirme exportiert – „made in China“.

Die Londoner Beratungsagentur Business Monitor International prognostiziert für China einen durchschnittlichen jährlichen Zuwachs von 15,6 Prozent beim Warentransport bis zum Ende des Jahrzehnts. Beim Hafen Yangshan geben sich die Behörden mit einer Brücke und ein paar zusätzlichen Kränen schon nicht mehr zufrieden. „Im kommenden Jahr geht die nächste Brücke in Bau“, sagt Amanda Bai von der Schanghai Lingang Gesellschaft. Natürlich noch eine Nummer größer. „Auch ein Eisenbahndeck ist geplant.“ Und die nächste Insel zur Hafenerweiterung ist auch schon gefunden.

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