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Wirtschaft: 3600 Kilometer Hochspannung

Energieagentur legt Studie zum Netzausbau vor / Umweltverbände üben Kritik

Berlin - Stefan Kohler kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Der Chef der bundeseigenen Deutschen Energieagentur (Dena) hat am Dienstag die Ergebnisse der sogenannten Dena-II-Netzstudie vorgestellt, in der er eine „Roadmap zum Stromnetzausbau“ erkennt.

Auf rund 600 Seiten hätten das Energiewissenschaftliche Institut Köln (Ewi), das auch am Gutachten für das Energiekonzept der Bundesregierung beteiligt war, sowie die Netzbetreiber und die Windindustrie eine „umfassende Systemanalyse“ vorgelegt, sagte Kohler. Das Ergebnis dieser „Analyse“ ist, dass bis 2020 zwischen 1700 und 3600 Kilometer neuer Hochspannungsleitungen gebraucht würden, um vor allem den Windstrom ins Netz zu integrieren. In einer ersten Netzstudie 2005 war die Dena mit ihren Partnern auf einen Ausbaubedarf von 850 Kilometern bis 2015 gekommen. Davon sind nach Dena-Angaben aber erst 90 Kilometer gebaut. Die Kosten für das von der Dena bevorzugte Szenario – 3600 Kilometer neuer 380-Volt-Freileitungen gehalten von Strommasten – lägen bei 9,7 Milliarden Euro.

Alle technischen Alternativen sowie ein besseres Management des bestehenden Stromnetzes werden in der Studie als unwirtschaftlich verworfen. Die von vielen Bürgerinitiativen geforderten erdverlegten Gleichspannungskabel würden nach Dena-Angaben den Netzausbau nur um 200 Kilometer verkürzen, würden aber nach ihrer Schätzung zwischen 22 und 29 Milliarden Euro kosten. Allerdings wäre das eine Vollverkabelung der neuen Leitungen, eine Teilverkabelung von 20 bis 30 Prozent der Leitungen wäre für etwa die Hälfte der Summe zu haben, sagt die grüne Bundestagsabgeordnete Ingrid Nestle. Doch das hat die Dena-Netzstudie nicht untersucht.

Der Einsatz von Leitungen, die höhere Temperaturen vertragen und deshalb auch größere Strommengen durchleiten könnten, würde den Netzsausbau auf 1700 Kilometer verkürzen. Allerdings argumentiert die Dena, dass dann auch das bestehende Leitungsnetz von rund 5700 Kilometern auf diese Technologie umgerüstet werden müsste, was zu Kosten von rund 17 Milliarden Euro führen würde.

Dass das Gutachten lediglich bis ins Jahr 2020 reicht, findet die Klimachefin der Umweltstiftung World Wide Fund for Nature (WWF), Regine Günther, „wenig zielführend“. „Angesichts der langen Planungs- und Umsetzungszeiträume ist dieser Rahmen unangemessen.“ Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und Ingrid Nestle fordern in seltener Übereinstimmung eine Veröffentlichung aller relevanten Netzdaten. Die Intransparenz ist auch der Hauptkritikpunkt einer Studie des Wirtschaftswissenschaftlers Christian von Hirschhausen von der Technischen Universität Berlin, der im Auftrag des WWF eine erste Analyse der Studie vorgelegt hat. Hirschhausen sagt: „Die Netzbetreiber entwerfen den Netzausbau für sich selbst.“ Dagmar Dehmer

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