zum Hauptinhalt

Wirtschaft: 4,1 Millionen Menschen von Hartz IV betroffen

Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf nennt Beschäftigungsentwicklung „alarmierend“ / Clement befürchtet noch mehr Arbeitslose

Berlin - Deutlich mehr Menschen erhalten das neue Arbeitslosengeld II, als die Bundesregierung erwartet hat. Knapp 4,1 Millionen Menschen haben im Januar nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) die neue Grundsicherung für Langzeitarbeitslose ausgezahlt bekommen. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) war von etwa 3,2 Millionen Empfängern ausgegangen. Mehr als die Hälfte der Betroffenen (2,43 Millionen) stehen dem Arbeitsmarkt tatsächlich zur Verfügung. Gut 1,6 Millionen Leistungsempfänger sind nach Angaben der BA nicht als arbeitslos gemeldet. Sie erhalten Geld, weil sie beispielsweise eine Beschäftigung haben, aber nicht genügend verdienen.

Mit der Arbeitsmarktreform Hartz IV ist die Arbeitslosigkeit von Dezember auf Januar deutlich gestiegen – erstmals seit Bestehen der Bundesrepublik auf über fünf Millionen. Die Zahl der Arbeitslosen lag mit 5,037 Millionen um 573 000 Personen über dem Stand vom Dezember. Die Arbeitslosenquote betrug 12,1 Prozent. Auch im Vergleich zum Vorjahresmonat waren es 440 000 Menschen mehr, die nach einer Beschäftigung suchten. BA-Vorstand Frank-Jürgen Weise führte den Anstieg außer auf die Winterarbeitslosigkeit vor allem auf den statistischen Effekt von Hartz IV zurück. „Die Arbeitslosigkeit ist nicht größer geworden, aber sie wird jetzt umfassend abgebildet“, sagte Weise bei der Vorlage der Arbeitsmarktdaten in Nürnberg.

Nach Angaben der BA wurden durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe etwa 230 000 Menschen erstmals in der Statistik erfasst, die bisher Sozialhilfe bezogen haben. Von den knapp eine Million erwerbsfähigen Sozialhilfeempfängern waren bisher nicht alle bei den Arbeitsagenturen gemeldet – sie zählten zur so genannten „stillen Reserve“. Mit Hartz IV haben alle erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger Anspruch auf das neue Arbeitslosengeld II. Als erwerbsfähig gilt, wer mindestens drei Stunden am Tag arbeiten kann.

Auch angesichts der Rekordarbeitslosigkeit hält Wirtschaftsminister Clement an der Arbeitsmarktreform Hartz IV fest und schloss Änderungen aus. Es gebe „fünf Millionen Gründe“ für die Arbeitsmarktreform, sagte er in Anspielung auf die Arbeitslosenzahl. Die Bundesregierung hofft, dass durch die Arbeitsmarktreform Menschen intensiver betreut und schneller vermittelt werden. Zugleich soll mehr Druck ausgeübt werden. BA-Vorstandschef Weise kündigte an, der Umbau der Arbeitsagenturen solle bis Jahresende abgeschlossen sein.

Ohne den statistischen Effekt und ohne die jahreszeitlichen Einflüsse wäre die Arbeitslosigkeit in etwa stabil geblieben. Es gebe aktuell keine Verschlechterung am Arbeitsmarkt, heißt es im Monatsbericht der BA. Das gilt auch für Berlin. Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) bewertete die Zahlen dennoch als „alarmierend“, aber „auch ehrlicher als bisher“. Auch Brandenburgs Arbeitsministerin Dagmar Ziegler (SPD) sagte, das reale Problem der Arbeitslosigkeit sei nicht größer geworden, es werde aber statistisch umfassender abgebildet. Jetzt komme es darauf an, das eigentliche Ziel, die bessere Betreuung der Arbeitslosen und die schnellere Vermittlung, mit aller Kraft in Angriff zu nehmen.

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement rechnet mit einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit im Februar. Traditionell ist die Zahl der Arbeitslosen dann am höchsten. Hinzu kommt, dass sich möglicherweise durch Hartz IV ältere Arbeitslose wieder verstärkt bei den Arbeitsagenturen melden, die bisher von vorruhestandsähnlichen Regelungen Gebrauch gemacht hatten. Wer älter als 58 Jahre und arbeitslos war, konnte die Arbeitslosenhilfe weiter beziehen, aber auf eine Vermittlung verzichten. Da auch ältere Arbeitslose nur das Arbeitslosengeld II erhalten, das sich etwa auf der Höhe der Sozialhilfe bewegt, könnte es für sie attraktiv sein, sich doch wieder bei der Arbeitsagentur zu melden. Damit tauchen sie auch wieder in der Statistik auf.

Bei normalem Konjunktur- und Saisonverlauf rechnet BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt damit, dass die Arbeitslosenzahl bis zum Sommer um 500 000 zurückgehen wird. Wirtschaftsminister Clement rechnet zum Jahresende mit einer Verbesserung gegenüber dem Vorjahr. Er blieb am Mittwoch bei seiner Prognose, dass die Arbeitslosigkeit Ende Dezember um rund 200 000 unter dem Niveau des Vorjahres liegen werde, sagte der Minister. (mit ddp)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false