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Wirtschaft: Ab in die Kiste

Jedes Jahr ziehen in Deutschland sieben Millionen Menschen um – Möbelpacker oder Freunde schleppen

Von Norden nach Süden und von Osten nach Westen – in diese Richtungen zieht es die Deutschen, wenn sie die Umzugskartons packen. „Die Menschen gehen in die großen Ballungszentren, wo sie Ausbildungsplätze und Jobs finden“, sagt Heidede Becker vom Deutschen Institut für Urbanistik. Die größte Anziehungskraft hätten Städte wie München, Köln, die Frankfurter Region oder Berlin.

Wer nach Berlin kommt, zieht in der Regel „mitten rein“, sagt Jürgen Paffhausen, Bevölkerungsexperte beim Statistischen Landesamt Berlin. „Besonders die jungen Leute, die neu in die Stadt kommen, suchen das pulsierende Leben in Vierteln wie Prenzlauer Berg oder Friedrichshain.“ Bleiben die Neu-Berliner länger in der Stadt, mache sich der „Springbrunnen-Effekt“ bemerkbar. „Werden die Leute älter oder bekommen Kinder, zieht es sie in ruhigere Stadtteile außerhalb des Zentrums oder sogar ins Umland“, sagt Paffhausen. Steigender Beliebtheit erfreuen sich nach Beobachtung von Paffhausen Gegenden wie Pankow oder Köpenick, „das Zehlendorf des Ostens“. Die Plattenbauten in Marzahn verwaisen dagegen zusehends. Ein Trend, der nach Ansicht der Statistiker anhalten wird. Auch Kieze wie Wedding oder Tiergarten haben es schwer, besser gestellte Bewohner zu halten.

Ein Umzug will ordentlich geplant sein. Fest steht: Ohne fremde Hilfe geht es nicht, selbst wenn es „nur“ die eigenen Freunde sind, die beim Kistenschleppen helfen. Professionelle Umzugsfirmen bieten – für zum Teil saftige Preise – einen kompletten „Relocation Service“ (siehe Texte unten). „Der Kunde braucht uns nur die Schlüssel und die Adressen der Wohnungen in die Hand zu drücken. Den Rest erledigen wir“, sagt Klaus Zapf, Chef von Deutschlands größter Umzugsfirma Zapf Umzüge. Die am häufigsten gewählte Umzugsvariante ist der „Familienumzug“. Dabei packt man die Sachen selbst in Kisten ein und lässt vom Umzugsunternehmen die Demontage großer Möbelstücke, das Verladen des Hausrats und den Transport erledigen.

Nach Schätzung des Bundesverbandes Möbelspedition (Amö) ziehen in jedem Jahr etwa sieben Millionen Menschen in Deutschland um. Allerdings hat die Mobilität in den vergangenen Jahren abgenommen. Suchten sich bis 2001 jährlich mehr Menschen eine neue Bleibe, sorgte die Wirtschaftskrise dafür, dass sie wieder sesshafter wurden. Die Umzugbranche setzte damit im vergangenen Jahr rund eine Milliarde Euro um, rund ein Fünftel weniger als noch vor drei Jahren. „Auf diesem Markt tummeln sich leider viele unseriöse Anbieter“, warnt Amö-Sprecher Dierk Hochgesang. Allein in Berlin gibt es rund 500 Firmen, die Umzugsleistungen anbieten. „Theoretisch kann jeder, der einen Lieferwagen besitzt, zum Umzugsunternehmer werden“, sagt Hochgesang. Ein Problem: Bei unseriösen Anbietern ist das Umzugsgut häufig nicht oder nur unzureichend versichert.

Zuverlässige Firmen können ein Amö-Zertifikat vorweisen, das jährlich neu vergeben wird. Um das Zertifikat zu erhalten, müssen die Unternehmen zehn Punkte erfüllen. Diese beinhalten unter anderem, dass die Firma ein detailliertes Angebot erstellt, ausführlich über Versicherungs- und Haftungsbedingungen informiert und geschultes Fachpersonal einsetzt. Bei Konflikten akzeptieren die Firmen den Spruch einer Schiedsstelle.

Amö-Spediteure sind automatisch versichert. Die Grundhaftung beträgt aber nur 620 Euro pro Kubikmeter, bei einem gängigen Drei-Personen-Umzug mit 50 Kubikmetern also 30000 Euro. Kommt es zu Schäden, sollten diese möglichst noch am Tag des Umzugs schriftlich festgehalten werden. Für offene Schäden gilt eine Reklamationsfrist von einem Tag, „verdeckte“ Schäden müssen dem Unternehmer spätestens 14 Tage nach dem Umzug schriftlich mitgeteilt werden.

Eine Alternative zu den gängigen Umzugsfirmen sind karikative Organisationen wie Synanon, die ehemalige Drogenabhängige beschäftigen. Diese arbeiten nicht profitorientiert und sind deshalb billiger als andere Anbieter. Aber auch hier gilt: Der Vergleich mehrerer Angebote lohnt sich immer. (Foto: fotex)

Maurice Shahd

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