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Wirtschaft: Ab Montag streiken die Bauarbeiter

Frankfurt (Main)/Berlin (rtr/msh). In der deutschen Bauindustrie beginnt am Montag der erste bundesweite Streik seit über 50 Jahren.

Frankfurt (Main)/Berlin (rtr/msh). In der deutschen Bauindustrie beginnt am Montag der erste bundesweite Streik seit über 50 Jahren. Mehr als 98 Prozent sprachen sich bei der Urabstimmung nach Angaben der IG Bau Agrar Umwelt (IG BAU) für einen Arbeitskampf zur Durchsetzung ihrer Tarifforderungen aus.

„Ab Montag in der Früh wird es die ersten Ausstände im Norden geben“, sagte Gewerkschaftschef Klaus Wiesehügel am Sonnabend in Frankfurt. „Wir werden den Arbeitskampf langsam hochziehen.“ Die Gewerkschaft sei für einen längeren Streik gerüstet und in der Lage, die Intensität von Woche zu Woche zu erhöhen. Parallel werde man sich aber um Sondierungsgespräche bemühen. Die Arbeitgeberseite appellierte an die Gewerkschaft, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Ein Streik sei angesichts der unverändert schlechten Lage der Bauwirtschaft unverantwortlich, erklärte der Hauptverband der Bauindustrie.

An der Urabstimmung nahm nach Angaben der IG BAU rund ein Drittel der Gewerkschaftsmitglieder teil. „Für uns ist das ein gutes Ergebnis. Die Stimmung auf den Baustellen ist auf Sturm geschaltet“, sagte Wiesehügel und trat damit Spekulationen entgegen, die Streikbereitschaft vor allem in Ostdeutschland sei nur gering. In keinem Bundesland liege die Zustimmungsquote unter 90 Prozent. „In einer ersten Welle werden mehrere tausend Arbeitnehmer in den Ausstand gehen. Nach eigenen Angaben verfügt die Gewerkschaft über rund 340000 Mitglieder im Bauhauptgewerbe. Insgesamt könnten bis zu 950000 Bauarbeitnehmer in die Streiks einbezogen werden, sagte ein Sprecher.

Die Arbeitgeber nannten die Streik-Entscheidung der Gewerkschaft unverantwortlich und kritisierten die Strategie, gezielt Baustellen mit hohem Termindruck bestreiken zu wollen. Sie verwiesen darauf, dass die Umsätze am Bau in den ersten drei Monaten 2002 um 10,6 Prozent und die Zahl der Beschäftigten um 90000 gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen sei. Gleichzeitig zeigten sich die Arbeitgeber zwar erneut gesprächsbereit, deuteten aber auch die Möglichlichkeit von Aussperrungen an. „Wenn die Gewerkschaften eine harte Linie fahren, müssen wir auch Aussperrungen in Betracht ziehen“, sagte Thomas Bauer, Verhandlungsführer der Arbeitgeber, dem Tagesspiegel. Ob es zu Aussperrungen kommen werde, hänge davon ab, welche Schäden den Baubetrieben bei einem Streik entstehen. „Wir wollen aber nicht, dass die Lage eskaliert“, betonte Bauer. „Aussperrungen sind nur das absolut letzte Mittel.“ Man wolle jetzt erst mal abwarten, wie der Streik läuft. Da es seit über 50 Jahren keinen Arbeitskampf mehr in der Bauindustrie gab, hätten beide Parteien nur sehr wenig Erfahrung in dieser Situation.

Nach Angaben Bauers suchen Arbeitgeber und Gewerkschaften derzeit nach einem neuen Verhandlungstermin. „Bei gutem Willen“ könnten sich die die Tarifparteien Mitte oder Ende der Woche zu neuen Gesprächen treffen. Zuletzt hatten die Arbeitgeber Kompromissbereitschaft in wichtigen Punkten angedeutet. Die Schlichtung unter Leitung des CDU-Politikers Heiner Geisler war in letzter Minute an der Weigerung der Ostarbeitgeber gescheitert, den Mindestlohn in den neuen Ländern anzuheben. „Wir wissen, das der Mindestlohn Ost das Hauptproblem der Gewerkschaft ist“, sagte Bauer. Es gebe noch Verhandlungsspielraum. „Nach den Verhandlungen ist vor den Verhandlungen.“

In der vergangenen Woche hatten sich einige ostdeutsche Landesverbände der Arbeitgeber in Versammlungen auf eine Kompromisslinie geeinigt. Eine Anhebung des ostdeutschen Mindestlohnes scheint daher wahrscheinlich. „Es gibt aber weiterhin viele Unternehmen in Ostdeutschland, die meinen, wir sind mit unserem Angebot schon weit genug gegangen“, sagte Bauer. „Viel mehr ist nicht drin.“ Über die Frage der Mindestlöhne war es im Arbeitgeberlager zu einem Streit zwischen ost- und westdeutschen Betrieben gekommen. Die Ostbetriebe nutzen das geringere Lohnniveau in den neuen Ländern, um den Westunternehmen Aufträge abzujagen, häufig sogar in deren Heimatregionen. Die westdeutschen Baubetriebe fordern daher, die Schere zwischen den Löhnen in Ost und West zu schließen oder zumindest zu verkleinern.

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