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Wirtschaft: Abgesang auf eine einst gerühmte Metropole

HONGKONG .Knapp ein Jahr nach seinem Amtsantritt fühlt sich Hongkongs Regierungschef Tung Chee Hwa miserabel.

HONGKONG .Knapp ein Jahr nach seinem Amtsantritt fühlt sich Hongkongs Regierungschef Tung Chee Hwa miserabel."Ich habe kläglich versagt", sagte der 61jährige ehemalige Reeder."Einmal, weil ich die asiatische Finanzkrise nicht stoppen konnte, und zum zweiten, weil mein guter Draht zum Himmel versagte und Hongkong im Regen versinkt." Noch so humorvolle Ansprachen können nicht mehr darüber hinwegtäuschen, daß Hongkong vor einer tiefgreifenden Rezession steht.Statt um 3,5 Prozent zu wachsen, ist die Wirtschaft der ehemaligen britischen Kronkolonie im ersten Quartal 1998 um zwei Prozent geschrumpft.Die Arbeitslosenquote verdoppelte sich fast auf 3,9 Prozent.Im Strudel der asiatischen Wirtschaftskrise lesen sich die ökonomischen Daten wie ein Abgesang auf die international gerühmte Metropole.

"Wir kommen zurück, genauso stark, wie wir es nach jeder Krise geschafft haben", verkündete Regierungschef Tung Chee Hwa im Fernsehen, und niemand weiß so recht, woher er den Optimismus nimmt.Die Börse hat seit ihrem Traumhoch im August 1997 mehr als die Hälfte eingebüßt und dümpelt bei 8000 Punkten.Die Zinssätze liegen um drei Prozent höher als zu Boomzeiten, und der einstige Wirtschaftsmotor Immobilienmarkt wirft auch nur noch die Hälfte ab.

Noch in der Nacht der Machtwechsels begann das Desaster.Thailand wertete seine Währung ab; die anderen einstigen Tigerländer folgten.Für Hongkong ging es wenig später Schlag auf Schlag: Eine Spekulationswelle gegen den Hongkong-Dollar, kräftige Zinserhöhungen als Gegenmaßnahme und der davon verursachte freie Fall der Immobilienpreise trafen den Standort hart.Wenige Monate später wurde die Krise handfest: Nach den Abwertungen der Nachbarwährungen um 20 bis 70 Prozent wurde Hongkong für andere Asiaten zu teuer.Die Touristen blieben weg und mit ihnen viel Geld, das einst in den Einzelhandel floß.Einsparungen brachten eine Entlassungswelle, wie sie Hongkong seit 14 Jahren nicht erlebt hatte.

Nach außen will die Regierung Tung das Signal geben, es handle sich nur um vorübergehende Störungen von außen.Er kann dabei auf viele Trümpfe verweisen.Hongkong verfügt mit fast 90 Mrd.US-Dollar über die vierthöchsten Devisenreserven weltweit.Der Haushalt wirft satte Überschüsse ab.Zudem hat Hongkong den weltgrößten Containerhafen, ein sehr gut funktionierendes Bankensystem und als Hinterland das riesige China mit seinen Exportchancen.Genau hier, so warnen Experten, könnte die Krise weiter ihren Lauf nehmen.Spätestens die Schwäche des japanischen Yens ist ihnen ein Alarmsignal: Sie erhöhe den sowieso schon hohen Druck auf China und seine im Asienvergleich feste Währung.Eine Abwertung des Renminbi hätte zwangsläufig eine Abwertung des Hongkong-Dollars und das Ende seiner Anbindung an den US-Dollar zur Folge.Die Preise in der stark importabhängigen 6,7-Millionen-Stadt würden in die Höhe schnellen.Schlimmer noch: Hongkong würde einen enormen Vertrauensverlust erleiden und zu einer ganz normalen Stadt in Asien werden.

SABINE HEIMGÄRTNER (dpa)

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