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Wirtschaft: Abgestimmt wird später

Regierung will später über Börsengang befinden / Konzern umwirbt Unions-Abgeordnete

Berlin - Die Regierung will die Entscheidung des Bundestags über eine Privatisierung der Bahn weiter hinausschieben. Vertreter der mit dem Thema befassten Ministerien hätten sich auf einer Sitzung des Lenkungsausschusses darüber verständigt, erfuhr der Tagesspiegel am Dienstag aus regierungsnahen Kreisen. Wahrscheinlich wird jetzt erst im kommenden Jahr entschieden. Hintergrund sei der weiterhin heftige Widerstand in der Unionsfraktion gegen eine Privatisierung der Bahn mit Schienennetz, hieß es in den Kreisen. Dagegen habe man die Hoffnung, die Abgeordneten der SPD doch noch von der so genannten integrierten Lösung zu überzeugen, die Bahnchef Hartmut Mehdorn und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) favorisieren. In zwei Briefen, die dem Tagesspiegel vorliegen, versucht Bahnvorstand Otto Wiesheu, die Abgeordneten von CDU und CSU zu überzeugen.

Das Verkehrsministerium wollte die Verschiebung allerdings nicht bestätigen. „Wir halten an dem von den Abgeordneten selbst gesetzten Zeitplan fest“, sagte eine Sprecherin dem Tagesspiegel. Wie versprochen, würden dem Koalitionsarbeitskreis auch Ende September die nötigen Unterlagen zugeleitet. Allerdings wächst auch bei den Parlamentariern der Zweifel daran, ob der Ablaufplan eingehalten werden kann. Klaus Lippold (CDU), Vorsitzender des Verkehrsausschusses, sagte wiederum der Nachrichtenagentur AFP: „Ich sehe den Termin Oktober noch nicht.“ Es seien noch sehr viele Details zu klären. Zunächst hatte der Bundestag im September abstimmen sollen, zuletzt war Ende Oktober angestrebt worden.

Wie der Tagesspiegel berichtete, wollten sich die drei Staatssekretäre, die den Bund im Aufsichtsrat der Bahn vertreten, für eine Verschiebung der Abstimmung um drei Monate stark machen. Die Verkehrsgewerkschaften Transnet und GDBA, die einen Börsengang mit Netz fordern, verstärken außerdem den Druck auf die Politik. Der Tarifkonflikt mit der Bahn über Beschäftigungsgarantien ging zwar am Dienstag mit weiteren Verhandlungen weiter. Doch die Gewerkschaften haben bereits Vorbereitungen für ein Scheitern der Gespräche getroffen. Ende September könnte es bereits Streiks geben (siehe Interview).

Derweil warnt der ehemalige bayerische Verkehrsminister und heutige Bahnvorstand Wiesheu davor, dass das Eigentumsmodell „bei genauer Betrachtung mit vielen, zum Teil schwerwiegenden Nachteilen verbunden“ sei. In einem Schreiben verweist er darauf, dass dieses Modell bereits bei der Diskussion zur ersten Bahnreform Anfang der 90er Jahre verworfen wurde. In einem weiteren Schreiben, das allen Unionsabgeordneten geschickt wurde, kommt Wiesheu zum Schluss: „Mit dem Eigentumsmodell wird das Scheitern eines Börsengangs wahrscheinlich.“ Werde das Eigentum am Schienennetz komplett auf den Bund übertragen, ändere sich nichts an der Wettbewerbssituation. Dafür gebe es größere Risiken im Vergleich zu einer Privatisierung mit Netz. Investoren könnten abgeschreckt werden. Wiesheu schätzt außerdem, dass ein Börsengang ohne Netz nicht vor 2011 möglich wäre, mit Netz aber schon 2008.

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