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Daniela Rosenberger hat die NGG in den vergangenen fünf Jahren geführt. Sie tritt aus gesundheitlichen Gründen nicht erneut an.

© Thilo Rückeis

Abschied bei Gewerkschaft NGG: Michaela Rosenbergers Einsatz für gute Arbeit

Bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten steht ein Chefwechsel an. Michaela Rosenberger hat die NGG fünf Jahre lang geführt - und wichtige Projekte umgesetzt.

Ganz unbescheiden spricht die NGG von „der wichtigsten Woche für alle, die in der Lebensmittelindustrie, im Gastgewerbe, in Brauereien, Bäckereien und Fleischereien arbeiten“. Und da kommen ein paar Millionen zusammen. Um sie und ihre Arbeitsplätze geht es in dieser Woche, wenn die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten in Leipzig zum Gewerkschaftstag ruft. Unter dem Motto „Frische Rezepte für gute Arbeit“ befassen sich die 166 Delegierten mit den Arbeitsbedingungen in einigen der wichtigsten Dienstleistungs- und Industriebranchen hierzulande. Rund 700 000 Personen arbeiten in der Ernährungsindustrie, und im Gastgewerbe sind es fast zwei Millionen. Ein Großteil davon arbeitet prekär, zum Beispiel als Minijobber, und hat mit der Gewerkschaft nichts am Hut: Mit rund 200 000 Mitgliedern ist die NGG eine der kleineren im DGB zusammengeschlossenen Gewerkschaften.

„Solidarität gehört augenscheinlich nicht mehr zu den Werten, die junge Leute heute bewegen“, bemüht sich die NGG-Vorsitzende Michaela Rosenberger um eine Erklärung für die geringe Strahlkraft der Gewerkschaften. „Womöglich ist das auch eine Folge der sozialen Medien“, meint Rosenberger im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Rosenberger, Jahrgang 1960, gelernte Hotelfachfrau, hat die NGG in den vergangenen fünf Jahren geführt. Aus gesundheitlichen Gründen tritt sie nicht zur Wiederwahl an. Rosenbergers bisheriger Stellvertreter Guido Zeitler (47), der ebenfalls im Hotel ausgebildet wurde, soll neuer Vorsitzender der Gewerkschaft werden.

Mindestlohn als größter Erfolg in zehn Jahren

Dann wird er auch Rosenberger in der Mindestlohnkommission ersetzen, die über die Höhe der Lohnuntergrenze befindet. Der 2015 von der großen Koalition eingeführte gesetzliche Mindestlohn ist für Rosenberger der größte gewerkschaftliche Erfolg in den vergangenen zehn Jahren. „Der Mindestlohn war überfällig in diesem reichen Land“, sagt die Gewerkschafterin und hat dabei vor allem ihre Branchen im Blick, mit überdurchschnittlich vielen schlecht bezahlten Beschäftigten. „Vor allem Frauen trauen sich häufig nicht, mehr Geld zu verlangen“, sagt Rosenberger. Und Stundenlöhne von vier Euro habe es bis 2015 nicht nur im Osten gegeben. Die NGG-Chefin berichtet von Verkäuferinnen in rheinland-pfälzischen Bäckereien, denen ein Stundenlohn von vier Euro gezahlt wurde.

Im Gastgewerbe war das nicht viel anders. „Hier sind viele Einzelkämpfer unterwegs, und wenn die Arbeitsbedingungen ganz fürchterlich sind, dann ziehen die weiter in den nächsten Laden“, sagt Rosenberger. Anders als in der Systemgastronomie mit Ketten wie McDonald’s, Burger King, Subway, Nordsee oder Starbucks, wo anständige Tarife gezahlt würden, gebe es in den meisten Restaurants und Hotels weder Betriebsräte noch Tarife. „Eine höhere Tarifbindung schaffen wir alleine nicht, dazu brauchen wir die Hilfe der Politik“, meint die NGG-Chefin. Doch danach sieht es in dieser Koalition nicht aus, obwohl SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil gerne würde. „Es hat der SPD nicht gut getan, nochmal in eine große Koalition zu gehen“, sagt das SPD-Mitglied Rosenberger.

Schlechte Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen und bei Lieferdiensten

Auf ihrem fünftägigen Kongress will sich die NGG für eine bessere Kennzeichnung von Lebensmitteln einsetzen. „Wir verstehen uns als Experten der Ernährungsindustrie“, sagt die Gewerkschaftsvorsitzende. „Es fehlt in der Industrie häufig ein Zukunftsdenken und das Bemühen, die Verbraucher zum Beispiel mit ökologischen Produkten zu versorgen.“

Ein Problem der Industrie sind die Schlachthöfe. Die Situation sei schwierig, weil sich viele Betriebe nicht an der freiwilligen Selbstverpflichtung beteiligten und keine anständigen Arbeitsbedingungen böten. „Moderne Sklaverei mit Leiharbeitnehmern und Werkvertragsmitarbeitern gibt es immer noch, ebenso schäbige Unterkünfte“, sagt Rosenberger. „Der nächste Skandal in der Fleischbranche wird kommen.“ Skandalös seien auch die Arbeitsbedingungen der Lieferdienste, bei einigen seien die Radfahrer nicht einmal versichert. „Wir gewinnen hier Mitglieder, weil die Auslieferer sich die miesen Arbeitsbedingungen nicht mehr gefallen lassen“, berichtet Rosenberger und hofft auf eine Renaissance der Solidarität. „Für andere einstehen: Das ist der Kern unseres Selbstverständnisses und unserer Arbeit als Gewerkschaft.“

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