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Abwrackprämie: Auf der Strecke geblieben

Die Abwrackprämie sollte eine Brücke zum nächsten Aufschwung sein – doch Teile der deutschen Kfz-Branche trifft sie hart.

Es geht noch was: 392 400 Besitzer eines mindestens zehn Jahre alten Autos haben noch die Chance, eine staatliche Abwrackprämie von 2500 Euro zu kassieren, wenn sie ihr gutes Stück jetzt der Schrottpresse übergeben und einen Neuwagen kaufen. Gut 1,6 Millionen Anträge sind beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) schon eingereicht worden. Damit dürfte der Fördertopf, in den die Bundesregierung fünf Milliarden Euro gelegt hat, ziemlich pünktlich zur Bundestagswahl am 27. September leer sein.

Über das vorgezogene Wahlgeschenk haben sich indes nicht alle so gefreut wie Autopräsident Matthias Wissmann. Er glaubt, die deutschen Autohersteller könnten – angeschoben von der Prämie – quasi auf einer Brücke übers Jammertal in den nächsten Aufschwung fahren. Tatsächlich dürfte die Zahl der Neuzulassungen 2009 auf einen Rekordwert von mindestens 3,5 Millionen Fahrzeugen steigen (2008: knapp 3,1 Millionen). Doch der Spitzenwert täuscht: Etliche Teile der Fahrzeugbranche werden auf der Strecke liegen bleiben.

„Die Prämie hat den Markt durcheinandergebracht“, sagt Ansgar Klein, geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands freier Kfz-Händler. Auf dem deutschen Gebrauchtwagenmarkt seien „gigantische Werte“ vernichtet worden. Das ohnehin viel zu große Angebot an Tageszulassungen, Vorführwagen und Leasingfahrzeugen mache den Händlern schon lange zu schaffen. Die Prämie gebe vielen den Rest. So mussten zuletzt vor allem bei hochwertigen Mittel- und Oberklasseautos drastische Wertverluste hingenommen werden, wie auch der Fahrzeugbewerter Eurotax-Schwacke in diesen Tagen ausrechnete. So koste ein drei Jahre altes Premium-Fahrzeug der oberen Mittelklasse derzeit 4000 Euro weniger als ein vergleichbares Modell noch vor Jahresfrist. Zusätzlich unter Druck gerät der Gebrauchtwagenmarkt, weil Privatkunden einen Neu- oder Jahreswagen statt ein Leasingfahrzeug gekauft haben. Das bringt die ohnehin niedrigen Restwerte vieler Leasingautos zum Absturz. Laut Schwacke-Chef Michael Bergmann summiert sich der Wertverlust des deutschen Fahrzeugbestands über alle Segmente auf 36 Milliarden Euro. Ähnlich wie bei Immobilien oder Aktien sei der Wert der 2008 in Deutschland gekauften Mittelklasseautos binnen eines Jahres um eine Milliarde Euro gesunken, so Bergmann in einem Interview.

„Viele unserer 1000 Mitgliedsfirmen klagen und kämpfen“, bestätigt Ansgar Klein. „Es gibt zu wenig Nachfrage. Und die Hersteller überfluten den Markt mit Flottenfahrzeugen und Leasingrückläufern.“ Früher ließ sich ein guter Teil dieses Bestandes ins Ausland verkaufen – nach Osteuropa oder Afrika. Doch die Wirtschaftskrise hat diese Märkte fast stillgelegt. Altautoverwerter, die 2009 rund eine Million Autos zusätzlich ausschlachten müssen, dürfen die prämienberechtigten Schrottkarren außerdem nicht im Ausland zu Geld machen. Und in die Werkstatt kommen sie auch nicht mehr. Bei den mittelständisch geprägten Servicebetrieben droht 2010 deshalb ein Kahlschlag.

Händlerverbandschef Klein will dennoch nicht schwarzmalen, eine Pleitewelle sieht er zumindest auf die freien Kfz-Händler nicht zurollen. Vor allem die kleineren Händler könnten flexibler agieren. Experten sind da pessimistischer. Schätzungen gehen von bis zu 4000 Insolvenzen in den kommenden Monaten aus. Düster sehe es im kommenden Jahr für die Vertragshändler der Markenhersteller aus, glaubt auch Ansgar Klein. „Das wird eine schlimme Zeit.“

Ähnliches ist beim Zentralverband des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK) zu hören. „Per saldo war die Prämie ein Segen“, sagt Sprecherin Claudia Schiffer. „Aber wir wollen keine Verlängerung.“ Laut einer vom ZDK in Auftrag gegebenen Forsa-Studie haben 45 Prozent der Neuwagenkäufer ihre Anschaffung von 2010 auf 2009 nur vorgezogen – Nachfrage, die im kommenden Jahr also fehlen wird. Für ZDK-Präsident Robert Rademacher wäre es deshalb „keine Überraschung“, wenn die Zahl der Neuzulassungen 2010 auf 2,7 Millionen Fahrzeuge oder weniger abstürzen würde. Extra hart träfe dies die deutschen Vorzeigemarken Mercedes, BMW oder Audi. Doppelt bitter: die Premiumhersteller haben schon 2009 von der Prämie, die ihnen helfen sollte, kaum profitiert.

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