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Wirtschaft: Abzocke im Dreierpack

Ob Telefon, Handy oder Internet: Die Tricks der Anbieter – und was sich dagegen tun lässt

An der Suche nach Deutschlands Superstar hat sich Stefan Hilgenstock nicht beteiligt. Noch nie hat er die teuren 0137er-Nummern gewählt, mit denen die RTL-Zuschauer Küblböck & Co. in den Pop-Himmel gehoben haben, noch nie bei den berüchtigten 0190er Hotlines angerufen. Trotzdem stand auf seiner Telefonrechnung im Juli 2003 ein Betrag von 160 Euro – davon allein 110 Euro für Anrufe bei einer 0190er Nummer. Der 28-jährige Berliner sagt heute: „Ich bin durch die Hölle gegangen.“

Denn obwohl er Widerspruch gegen die Rechnung einlegte, verlangte die Telekom das Geld – Geld für Telefonate, die er nie geführt zu haben glaubte. Nach Monaten der Streiterei mit den Telekom-Anwälten stellte sich heraus: Angerufen hatte der Berliner die 0190er-Hotline tatsächlich nicht. Aber er hatte sich beim Surfen im Internet unbemerkt eines der hinterhältigsten Programme der Netzwelt heruntergeladen – einen illegalen Dialer.

„Es kann jeden treffen“, sagt Thomas Michel. Der Redakteur des Online-Magazins Teltarif (www.teltarif.de) gibt seinen Lesern regelmäßig Tipps, wie sie sich vor den illegalen Internet-Programmen schützen können. Dabei sind Dialer eigentlich nichts Schlimmes: Es sind Einwählprogramme, über die Dienstleistungen im Internet (zum Beispiel Service-, Informations- oder auch Erotikdienste) abgerechnet werden. Zum Betrug kommt es dann, wenn der Dialer sich vom Kunden unbemerkt und somit ohne dessen Zustimmung auf dem Computer installiert und einen im Verhältnis zur Leistung völlig überzogenen Preis berechnet.

Dabei ist der Preis, den Stefan Hilgenstock zahlen sollte, noch relativ gering: Eine Kundin der Telefongesellschaft Berlikomm sollte 9000 Euro für Verbindungen zahlen, die über einen unbemerkt installierten Dialer liefen. Am Freitag entschied jedoch der Bundesgerichtshof in Karlsruhe, dass Telefonkunden für diese heimlich entstandenen Verbindungen nicht zahlen müssen. Das Argument der Richter: Netzbetreiber, die Rechnungen für Dialer-Firmen einziehen, haben ein eigenes wirtschaftliches Interesse an diesen Diensten, weil sie daran mitverdienen. Deshalb sei es angemessen, dass sie das Missbrauchsrisiko auch tragen.

Inzwischen dürfen Dialer nur noch über Rufnummern beginnend mit 0900-9 angeboten werden. Andere Nummern – wie etwa die 0190er-Rufnummern – dürfen die Anbieter seit Dezember 2003 nicht mehr für Dialer nutzen. Zudem muss jeder Dialer bei der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post registriert sein. Zurzeit sind dies rund 480000 Einwählprogramme. Dienste von Dialern, die nicht registriert sind, muss der Kunde auch nicht bezahlen. Und pro Minute dürfen die Betreiber nur noch maximal zwei Euro verlangen.

Schwarze Schafe gibt es immer noch

Doch auch die neuen gesetzlichen Regelungen können nicht verhindern, dass viele Diensteanbieter noch immer versuchen, die Verbraucher abzuzocken. „Die Zahl der schwarzen Schafe ist nicht geringer geworden“, sagt Michel. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen bestätigt dies: 2003 haben sich dort die Beschwerden über Dialer im Vergleich zum Vorjahr vervierfacht. Der häufigste Trick der Abzocker: Sie locken den Surfer zum Beispiel mit kostenlosen SMS. Die erhält aber nur, wer sich ein bestimmtes Programm herunterlädt – schon ist der Dialer installiert. Bei jeder neuen Einwahl wird jetzt kräftig abgerechnet. Das bemerkt der Kunde aber erst, wenn die nächste Rechnung kommt.

„Reine Abzocke“ nennt Michel auch die Tricks vieler Diensteanbieter, übers Handy an das Geld der Verbraucher zu kommen. Wer Nachrichten wie „Sie haben etwas gewonnen“ erhält oder unter „entgangenen Anrufen“ unbekannte Nummern findet, sollte auf der Hut sein – auch hier sind Betrüger am Werk. Der Rückruf kann in manchen Fällen fünf Euro pro Minute kosten – und zurückholen lässt sich das Geld nicht mehr.

Bei fehlerhaften Telefonrechnungen – zu denen auch die Kosten für illegale Dialer oder falsch abgerechnete Call-by-Call-Verbindungen zählen – sieht das anders aus. Carola Elbrecht vom Bundesverband der Verbraucherzentralen rät: „Wenn Dienste auf der Rechnung stehen, die der Verbraucher nicht genutzt hat, darf er die Zahlung verweigern.“ Das heißt: Zunächst den strittigen Betrag inklusive Mehrwertsteuer nicht überweisen, zugleich beim Netzanbieter (meist die Telekom) schriftlich Widerspruch einlegen und einen Einzelverbindungsnachweis anfordern. Sollte die Telekom weiterhin auf Zahlung bestehen, hat der Kunde das Recht, eine „technische Überprüfung“ zu verlangen. Er erhält dann Einsicht in alle technischen Daten, die über seinen Anschluss übertragen wurden. „Die verstehen allerdings nur Profis“, sagt Elbrecht. „Die Verbraucher haben zwar mehr Rechte als früher, aber die reichen noch lange nicht aus.“

Denn immer noch muss der Kunde beweisen, dass die Diensteanbieter einen Fehler gemacht haben. Und auf einen Prozess wollen es die wenigsten ankommen lassen. Wer einen Streit vor Gericht vermeiden will, kann die Schlichtungsstelle der Regulierungsbehörde in Anspruch (Telefon: 030/22480-500 oder 01805/101000) nehmen. Zum Preis von 25 Euro kann der Kunde auf diesem Wege versuchen, sich mit dem Dienstanbieter zu einigen.

Stefan Hilgenstock hatte schließlich Erfolg. Nach einem dreiviertel Jahr erließ ihm die Telekom den strittigen Betrag von 110 Euro. „Meine Hartnäckigkeit war entscheidend“, sagt er. „Mir ging es am Ende nur noch ums Prinzip.“

Dennis Kremer

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