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Wirtschaft: Achterbahn Börse: Kein Spielplatz für Hektiker (Leitartikel)

Die Geschichte ist aktuell. Da sammeln die Indianer eifrig Holz für den Winter.

Die Geschichte ist aktuell. Da sammeln die Indianer eifrig Holz für den Winter. Der Häuptling will wissen, wieviel sie noch sammeln müssen. Für einige Nuggets beauftragt er ein renommiertes wissenschaftliches Institut, herauszufinden, ob es einen strengen Winter gibt. Nach einigen Wochen kommt der Ergebnisbericht: Ja, es gibt einen strengen Winter. Begründung: Immer wenn die Indianer schon im Herbst eifrig Holz sammeln, gibt es einen langen, kalten Winter.

Nach dieser Melodie scheint es jetzt auch an den Aktienbörsen zuzugehen. Das ist die Herbstpsychose. September und Oktober, so wissen die Analysten, sind meist schwarze Monate. Deshalb hat im vergangenen Jahr die ungewöhnliche herbstliche Börsen-Ralley so manchen auf dem falschen Fuß erwischt. Normalerweise folgt man, wenn die Blätter fallen, den Bären und verkauft, weil andere auch verkaufen und man nicht der Dumme sein will. Schließlich verlangen die Kunden Erfolge und professionelles Agieren. Das erleben wir in diesen Tagen. Da wird jede negative Meldung, jede Gewinnwarnung gierig aufgenommen. Ein Quartalsgewinn, der geringfügig unter den Erwartungen liegt, reicht, um eine Aktie tief in den Keller zu schicken. Eben noch strahlende Werte wie Apple, Dell, Infineon oder gar DaimlerChrysler sind in kurzer Zeit den Börsianern bis zu fünfzig Prozent und damit Milliarden Mark weniger wert. Stichhaltige fundamentale Gründe für derartig große "Wertberichtigungen" gibt es nicht. Es ist eben Psychologie - und mit dem Trend lebt es sich anscheinend sicherer. Zu Recht spricht man jetzt von Panik, vor allem an den eben noch so hoch gepriesenen Neuen Märkten.

Was aber ist dann von diesen verrückten Veranstaltungen noch zu halten? Kann man dermaßen psychosengefährdeten und wenig stabilen Aktien-Börsen künftig einen noch größeren Teil seiner Altersvorsorge anvertrauen? Ja, man kann. Das, was wir zur Zeit an den Börsen erleben, ist zum Teil die traditionelle Herbstdelle. Sie wird kräftig verstärkt durch überfällige Korrekturen von ungeheuren Übertreibungen in den vergangen Monaten. Da wurden Unternehmen der neuen Ökonomie schon mit mutigen Kursen an den Markt gebracht und von Anlegern dann auch noch in Kurshöhen hochgejubelt, die jeder betriebswirtschaftlichen Vernunft Hohn sprachen. Hoffnungswerte, die nicht auf ihren Absatzmärkten überzeugten, aber mit viel Werbung Spitze darin waren, die Phantasien der Anleger anzuregen. Gut, wenn bei ihnen die heiße Luft jetzt schnell entweicht. Das verhindert ein abruptes Platzen dieser Blasen.

Für Aktien und Aktienfonds gilt unverändert: Es gibt keine andere Anlageform, die besser eine wirkliche Teilhabe an Wertschöpfung und Wertzuwachs in der realen Wirtschaft hier und sonstwo auf dem Globus ermöglicht, und die besser gegen Inflation sichert. Auf lange Sicht findet die Börse - bei allen irritierenden Übertreibungen nach oben und unten - immer wieder zu einer vernünftigen Bewertung der Unternehmen zurück.

Für die kleinen und die großen Anleger bleibt dabei die Frage, wie man aus diesen Übertreibungen Nutzen ziehen kann. Soll man mit den Herden laufen, zum Zocker werden und häufiger verkaufen und kaufen? Oder gewinnen letzten Endes doch die geduldigen Aktionäre, die Stillhalter? Neue Untersuchungen zeigen, dass siebzig Prozent derjenigen, die aktiv sind und die Kurven auf der Achterbahn schneiden wollen, schlechter abschneiden als die Anleger, die einfach Tee trinken und abwarten. An der Hektik verdienen vor allem die Berater, die Banken und die Broker, die jede Provision gerne einstreichen. Ihr Geschäft ist deshalb jetzt von den kräftig geschrumpften Kursen und Umsätzen beeinträchtigt. Eine kleine Gewinnwarnung.

Aber schon zur Weihnachtszeit werden wir uns wieder über neue Glanzlichter und eine fröhlichere Stimmung an den internationalen Börsen freuen können. Die Konjunktur ist immer noch in einer guten Verfassung. Auch wenn die Frühindikatoren in den nächsten Monaten eine Abkühlung melden werden. Sie messen nämlich auch die Entwicklung des DAX und anderer Börsenindizes. Deshalb wird dieser Winter etwas kälter als der vorige. Sammeln sie also genug Holz.

Heik Afheldt

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