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Men in Black: Die „All Blacks“ sind das Nationalteam der Insel. In Neuseeland ist Rugby Religion, Sport und nationaler Stolz. Foto: AFP

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Wirtschaft: Adidas im Abseits

Die Neuseeländer sind wütend: Die deutsche Firma verlangt umgerechnet 128 Euro für ein Trikot der Rugby-Nationalmannschaft

Als die Stimmung bis zum Siedepunkt hochgekocht war, meldete sich sogar der neuseeländische Premierminister zu Wort. „Neuseeländer wollen das All-Blacks-Trikot tragen“, sagte John Key, „sie wollen es mit Stolz tragen, sie sind keine Narren und wenn sie wissen, dass sie es auf einer Internetseite billiger im Ausland kaufen können, dann sind sie natürlich beleidigt.“ Es sei eine Schande, sagte der Politiker der Nationalen.

Rugby ist in Neuseeland Nationalsport. Sogar mehr als das. Das Spiel mit dem eiförmigen Ball ist Ersatzreligion und eine soziale Klammer für das traditionelle Einwanderungsland. Rugby ist eng verknüpft mit der nationalen Identität. Das schwarze Trikot hat für viele denselben Wert wie die Nationalflagge. Alle Fragen um die Nationalmannschaft, die „All Blacks“ genannt wird, haben eine weitreichende gesellschaftliche Relevanz. Wenn es in Neuseeland um Rugby geht, ist also auch das Staatsoberhaupt gefragt.

Was war passiert? Ganz Neuseeland ist empört und enttäuscht. Die Wut richtet sich gegen den Sportartikel-Hersteller Adidas, der seit 1999 Hauptsponsor der „All Blacks“ und Förderer des neuseeländischen Rugbys ist. Diese Liaison war von beiden Seiten bis dato als sehr fruchtbar betrachtet worden.

Am 9. September beginnt die Rugby-WM in Neuseeland. Aus diesem Anlass hat Adidas neue Trikots für die Nationalmannschaft entworfen. Sie sind traditionell schwarz, haben einen weißen Kragen, der an die Trikots aus dem Jahr 1987 erinnern. Der Kragen ist ein Symbol. Denn 1987 gewannen die „All Blacks“ die WM. Bis heute gelten die Neuseeländer als das beste Team der Welt. Erst kürzlich wurde der aktuelle Weltmeister Südafrika mit 40:7 degradiert. Aber die WM konnten die „All Blacks“ bisher nur einmal gewinnen. Im eigenen Land soll der Titel nun zum zweiten Mal erobert werden.

Die Adidas-Gruppe veranschlagte einen Verkaufspreis von 220 NZ-Dollar (128 Euro) für die begehrten Trikots der Nationalmannschaft. Allerdings wurde dasselbe Trikot auf der US-Seite www.worldrugbyshop.com mit umgerechnet 92,68 NZ-Dollar (53,54 Euro) gelistet. Und selbst im offiziellen US-Shop der „All Blacks“ war das Trikot billiger zu haben. Die Adidas-Gruppe erklärte die Preisunterschiede mit Zollgebühren, Mehrwertsteuern und Transportkosten, die von Land zu Land variieren würden.

Für die Neuseeländer riecht der hohe Preis im eigenen Land dagegen nach Abzocke und Ungerechtigkeit. Das Trikot ist für Neuseeländer kein Gegenstand der Spekulation, sondern ein Nationalsymbol. All das brachte die Neuseeländer, die die WM wegen der massiv gestiegenen Hotelpreise ohnehin sehr skeptisch betrachten, auf die Palme. Händler, Spieler, Fans und Politiker liefen Sturm gegen Adidas. Dem Global Player wurde Profitgier vorgeworfen.

Phil Goff von der Labour-Partei nannte die Preisstrategie des Unternehmens, das seinen Sitz im deutschen Herzogenaurach hat, „abscheulich“. Der Konzern, so Goff, nutze seine Marktposition schamlos aus. „Adidas hat seine Marke beschädigt.“ Auf Facebook tauchte die Seite „Boykottiert Adidas“ auf. Die Rugbylegende Colin „Tannenbaum“ Meads mahnte an, dass dies ein Resultat der immer weiter fortschreitenden Kommerzialisierung des neuseeländischen Rugbys sei. Und in der Zeitung „New Zealand Herald“ wurde vorgerechnet, dass ein Arbeiter der Bowker Yee Sing Garment Factory Co. Ltd, die die Trikots in China für Adidas herstellt, nur etwa 1,32 Euro die Stunde verdiene. Zudem wurde berichtet, dass Adidas internationale Webshops daran hindern würde, nach Neuseeland zu liefern. Ein Adidas-Empfang wurde abgesagt. Aktivisten von „Socialist Aotearoa“ verbannten öffentlich Plakate und Flaggen mit dem Adidas-Symbol.

Neuseeländische Sportartikelhändler wie „Rebel Sport“ oder „Champions of the World“ begannen daraufhin, die Trikotpreise auf eigene Kosten zu senken. Erst in der vergangenen Woche lenkte Adidas unter dem massiven Druck ein, allerdings ohne die Preise zu reduzieren. David Huggett, Adidas-Chef in Neuseeland, entschuldigte sich und räumte Fehler bei der Preisstrategie ein.

Das Unternehmen gibt an, dass der Preis der Trikots seit Mai 2009 nicht gestiegen sei. „Allerdings mussten wir die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 2010 in Neuseeland berücksichtigen“, sagt Katja Schreiber, Sprecherin der Adidas-Gruppe. Das alles sei nicht sehr glücklich gelaufen, räumt Schreiber ein. „Wir haben das Vertrauen, das Neuseeland in unsere Marke und Arbeit hatte, eingebüßt. Jetzt wollen wir uns darauf konzentrieren, wie wir dieses Vertrauen wieder zurückerlangen können“, betont die Sprecherin. Adidas tue es leid, Unruhe verursacht zu haben. Durch die Debatte sei von dem Thema abgelenkt worden, um das es eigentlich gehe: um die Weltmeisterschaft.

Das Kollektivgedächtnis der Neuseeländer arbeitet hervorragend – vor allem bei Niederlagen und Skandalen im Rugby. Adidas kann wohl nur dann aufatmen, wenn die „All Blacks“ den Titel holen.

Ingo Petz

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