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Wirtschaft: Ärzte verordnen noch zu viele Pillen

Versorgung der Versicherten ist in den Regionen unterschiedlich gut, sagt der Arzneireport der GEK

Berlin - Bei den Verschreibungen der Ärzte gibt es noch immer große regionale Unterschiede. So verordnen Mediziner in Nordbaden, Hamburg und Berlin im Schnitt deutlich mehr und teurere Medikamente als ihre Kollegen in Trier und Brandenburg. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Arzneimittel-Report 2004 der Gmünder Ersatzkasse (GEK), der am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Die regionalen Abweichungen machten zwischen 30 000 und 80 000 Euro pro 100 Versicherten aus, sagte der Bremer Arzneimittelexperte Gerd Glaeske, der Autor der Studie ist. Medizinisch seien diese Unterschiede kaum begründbar. Wären im vergangenen Jahr weniger Medikamente mit zweifelhaftem Nutzen verschrieben worden, sagt er, hätten die Krankenkassenbeiträge demnach um 0,3 Prozent sinken können.

Medikamente gelten als einer der größten Kostentreiber im Gesundheitssystem. Seit Inkrafttreten der Gesundheitsreform Anfang des Jahres sind die Medikamentenausgaben aber deutlich gesunken – durch höhere Zuzahlungen und die Herausnahme vieler Medikamente aus der Erstattungspflicht der Kassen. Die Ausgaben im ersten Quartal lagen mit rund 900 Millionen Euro unter den Ausgaben des ersten Quartals 2003. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums hat sich der Trend auch im April fortgesetzt. Kritiker wie Kassenärztechef Manfred Richter-Reichhelm bezweifeln aber, dass sich die Einsparungen im Gesamtjahr durchhalten lassen.

Nach Angaben des Arzneimittelexperten Glaeske verordnen Ärzte in Nordbaden, Hamburg, Koblenz, dem Saarland, Bremen und Bayern noch immer 50 bis 100 Prozent häufiger als im Bundesdurchschnitt Venen-, Gallen- und Lebermittel, Präparate zur Aktivierung des Immunsystems oder verdauungs- und durchblutungsfördernde Mittel. „Allzu oft entscheidet der Wohnort über Qualität, Menge und Ausgaben der Arzneimittelversorgung“, sagte er. Auch 2003 hätten Ärzte häufig zu teuer verordnet. Mit Inkrafttreten der Gesundheitsreform sind viele Arzneimittel mit umstrittener Wirkung allerdings aus der Erstattungspflicht der Kassen herausgefallen. Ein großes zusätzliches Einsparpotenzial sieht Glaeske, der auch Mitglied des Sachverständigenrats im Gesundheitswesen ist, durch billige Nachahmerpräparate, so genannte Generika.

Seit Beginn der Gesundheitsreform sind die Zuzahlungen von Patienten in der Apotheke nach Auskunft von GEK-Chef Dieter Hebel um knapp 40 Prozent gestiegen. Hinzu kämen erhebliche Mehrkosten für rezeptfreie Mittel, die die Kassen nicht mehr zahlten. Die Kasse bezieht sich dabei auf die Auswertung der Daten ihrer 1,4 Millionen Versicherten. Patienten zahlen seit 1. Januar zehn Prozent des Arzneipreises zu, mindestens aber fünf und höchstens zehn Euro.

Nach Angaben von Hebel zahlten Versicherte in den ersten vier Monaten 2004 durchschnittlich 12,93 Euro für Medikamente zu, im Vergleich zu 9,34 Euro in der gleichen Zeit 2003. Hinzu kommen für Patienten die Kosten für rezeptfreie Arzneien, die sie seit 1. Januar in aller Regel selbst zahlen müssen: Hebel gab den durchschnittlichen Wert solcher Medikamente, die früher über die Kassen abgerechnet wurden, mit etwa 13 Euro an.

Da insgesamt eine kleine Minderheit von Versicherten die meisten Medikamente braucht, wird diese überdurchschnittlich mit Zuzahlungen belastet: 90 Prozent der Arzneimittelausgaben der GEK entfallen nach dem aktuellen Arzneimittel-Report auf nur 24 Prozent ihrer Versicherten, dabei vor allem auf Ältere und chronisch Kranke.

Maren Peters

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