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Wirtschaft: Agrarpolitik: Verbraucherschutz ist nicht umsonst

Bevor es in Deutschland im Verbraucherschutz vorwärts geht, muss es erst zum Eklat kommen. Das ist traurig, aber wahr.

Bevor es in Deutschland im Verbraucherschutz vorwärts geht, muss es erst zum Eklat kommen. Das ist traurig, aber wahr. Ohne BSE-Krise und Ministerrücktritte würde heute nicht über mehr Schutz für den Konsumenten gesprochen, gäbe es kein neues Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Die Stimmen der Verbraucher mussten sich erst einmal zu einem gemeinsamen Klagelied erheben, die ökonomischen Folgen für Landwirte und Händler immer existenzbedrohender werden, bevor der Kanzler reagierte.

Jetzt soll der Schutz der Verbraucher - vor allem bei der Lebensmittelsicherheit - ganz oben stehen. Dabei vertraut Gerhard Schröder ganz auf die bisherige Vorsitzende der Grünen, auf Renate Künast. Die neue Ministerin soll den Karren aus dem Dreck ziehen. Sie soll das Agrarressort umbauen. Der Weg vom Futtertrog zur Wurst soll nachvollziehbar und damit sicher werden. Endlich soll der Verbraucher wieder den Produkten, die er isst - und Schröders Politik - vertrauen können.

Für den Kanzler lag in der akutellen Krise nichts näher, als den Verbraucherschutz dem bisherigen Agrarministerium zuzuschlagen: Er zeigt damit Tatkraft und beschreitet neue Wege. Doch die sind umstritten: Wird der neuen Ministerin die delikate Aufgabe gelingen, die - oft gegensätzlichen - Interessen von Verbrauchern und Landwirten unter einen Hut zu bringen? Fraglich ist es auch, ob sie es schafft, aus Verbraucherschutz mehr zu machen als Lebensmittelsicherheit - so wichtig die auch ist. Denn Verbraucherschutz geht weiter. Er ist eine typische Querschnittsaufgabe, die bisher gleichermaßen in den Bundesministerien für Wirtschaft, Gesundheit, Arbeit, Umwelt, Bau und Justiz zu Hause ist. Renate Künasts Ziel muss es deshalb sein, im eigenen Haus schlagkräftige Referate aufzubauen, die im Sinne des Verbrauchers schon bei der Vorbereitung von Gesetzen anderer Ministerien Einfluss nehmen und auch als Koordinierungsstelle fungieren. Denn egal, ob es um Arzneimittel, um die private Altersvorsorge oder um Richtlinien für den elektronischen Handel geht, immer sind die Konsumenten betroffen.

Die neue Ministerin muss den Verbrauchern wieder eine unüberhörbare Stimme in der Politik verschaffen. Sie muss dafür sorgen, dass im politischen Geschäft die Interessen der Nachfrager nicht zu kurz kommen. Denn die andere Seite, die Anbieter, arbeitet mit starken Lobbys. Den Unternehmen fällt es offenbar leichter, sich zu schlagkräftigen Verbänden zusammenzuschließen als den Konsumenten.

Der Wirtschaftsminister, der bisher federführend für den Verbraucherschutz zuständig war, hat die Interessen der Verbraucher zunehmend aus den Augen verloren. Sein Ressort hat zwar über die Kartellbehörden für einen funktionierenden Wettbewerb gesorgt. Das war und ist für die Verbraucher mehr als wichtig. Denn nur wenn genügend Anbieter da sind, können nicht einige wenige die Preise diktieren. Er und seine Kollegen auf Landesebene haben aber in den vergangenen Jahren immer weniger Wert auf den konkreten Verbraucherschutz gelegt. Auf Verbraucherschutz, wie ihn etwa die Verbraucherzentralen in den Ländern bieten. Diesen Institutionen, die von Bund und Land mitfinanziert werden, wurde ein Drittel der Zuschüsse gestrichen. Dabei ging es bei den Hilfen alles in allem gerade einmal um 120 Millionen Mark. Zuletzt wollte Werner Müller auch bei der Stiftung Warentest den Rotstift ansetzen, nur das Parlament hat das Schlimmste noch verhindern können. Alle diese Organisationen, bei denen sich viele Menschen über die Qualität von Produkten und Dienstleistungen informieren, brauchen für ihre Arbeit aber genügend Geld und Personal. Sie müssen entsprechend ausgestattet sein, damit sie bei den politischen Entscheidungen in Berlin und Brüssel mitreden können. An beidem hat es in den vergangenen Jahren gefehlt.

Jetzt ist Renate Künast am Zug. Sie muss die Weichen anders stellen. Doch für die neue Ministerin wird es nicht leicht, genügend Steuergelder locker zu machen. Der Finanzminister ist offenbar nicht bereit, ihren Etat aufzustocken. Nun muss Schröder beweisen, dass er es mit dem Verbraucherschutz ernst meint. Dem Ministerium einen neuen Namen zu geben reicht noch lange nicht aus.

Karin Birk

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