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Intensive Nutzung. Die Landwirte in der EU sollen ermuntert werden, einen größeren Anteil ihrer Flächen nicht zu bewirtschaften, um Lebensräume für Tiere zu erhalten.

© dapd

Agrarreform: EU-Kommissar will deutsche Bauern schonen

EU-Agrarkommissar Ciolos will das Umwelt-Engagement deutscher Landwirte honorieren. Dennoch müssen die Bauern im kommenden EU-Haushalt mit Einschnitten rechnen.

Werner Schwarz liebt Lösungen aus einer Hand. Der Großbauer aus dem schleswig-holsteinischen Rethwisch hat 5000 Schweine. Er züchtet, mästet und verkauft seine Tiere selbst. Das Futter kommt weitestgehend von seinen Feldern. Doch das, fürchtet der Landwirt, der auch den schleswig-holsteinischen Bauernverband führt, könnte künftig schwierig werden.

Der Mann, der Schwarz Kummer macht, heißt Dacian Ciolos. Der EU-Agrarkommissar will die Subventionsmilliarden, die jedes Jahr an die europäischen Bauern fließen, gerechter verteilen. Wer ökologisch wirtschaftet, soll mehr bekommen als derjenige, der seine Felder mit Dünger und Pestiziden überzieht und Monokulturen anbaut. Sieben Prozent seines Landes soll der Bauer daher für ökologische Vorrangflächen wie Büsche, Hecken oder Bäume reservieren. Zudem soll jeder Landwirt mindestens drei Fruchtarten anbauen müssen. Außerdem soll Grünland nicht mehr zu Äckern umbrochen werden. Wer sich nicht daran hält, muss mit finanziellen Einbußen rechnen. Von den Direktzahlungen, die die Bauern vom Steuerzahler bekommen, sollten künftig 30 Prozent an diese Vorgaben geknüpft werden, meint Ciolos. Gut 40 Milliarden Euro erhalten Europas Bauern im Jahr als Direktzahlung.

Kommenden Donnerstag und Freitag soll sich entscheiden, wie groß der Batzen in Zukunft sein wird. Die Staats- und Regierungschefs stimmen dann über die Finanzplanung der EU für die Jahre 2014 bis 2020 ab. Größter Posten: der Agraretat. Er macht bislang rund 40 Prozent aus und beträgt aktuell 400 Milliarden Euro. Knapp unter 380 Milliarden Euro schlägt die EU-Kommission für die Zeit nach 2013 vor, EU-Ratspräsident Herman van Rompuy möchte noch mehr sparen. Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) hält das für falsch. Sie werde sich „mit ganzer Kraft dafür einsetzen“, dass die deutschen Bauern weiter Planungssicherheit haben, sagte sie im am Montag erschienenen Tagesspiegel-Interview. Vielen Bauern ist vor allem die Sieben-Prozent-Klausel ein Dorn im Auge. „Überall herrscht Nahrungsmittelknappheit, und wir sollen produktive Flächen stilllegen“, ärgert sich Schwarz. Doch die Bauernschaft ist gespalten. „Die Direktzahlungen der EU sollen nicht länger die Bauern benachteiligen, die eine vernünftige Fruchtfolge einhalten, Wiesen und Weiden erhalten und wenigstens auf einem Teil ihrer Flächen etwas für den Erhalt von Feldlerche, Kiebitz oder Bienen tun“, unterstützt Bernd Voß, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die Brüsseler Reformpläne. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) solle den Gipfel für einen agrarpolitischen Kurswechsel nutzen.

Doch danach sieht es nicht aus. Weder bei Merkel noch im Europaparlament. Dessen Agrarausschuss beschloss kürzlich, Landschaftselemente sollten zunächst nur drei Prozent ausmachen, ab 2016 fünf. Auch die Forderung nach mehr Abwechslung auf dem Feld schwächten die Parlamentarier ab. Von einem „herben Schlag“ spricht der Chef des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschlands (BUND), Hubert Weiger.

Um seine Reform zu retten, geht Agrarkommissar Ciolos einen großen Schritt auf Deutschland zu. Wie von Aigner gefordert, will er Anstrengungen im Agrarumweltbereich – etwa beim Verzicht auf Dünger oder Pestizide – würdigen. „Wir sind bereit anzuerkennen, dass hier oft schon viel getan wird“, sagte der EU-Kommissar dem Tagesspiegel, „und wir wollen die, die bereits wirksame Schritte tun, nicht bestrafen.“ Bei den Umwelt-Agrarmaßnamen seien einige Regionen in Deutschland bereits führend. „Deshalb arbeiten wir jetzt an einem Mechanismus, der bestehende Maßnahmen wie beispielsweise die Vertragsnaturschutzprogramme in Bayern berücksichtigt und als Äquivalent für das Greening anrechnet“, betonte Ciolos.

Trotzdem werden sich deutsche Bauern wohl auf Kürzungen einstellen müssen. Die Milliarden aus Brüssel werden nach Meinung des EU-Kommissars nämlich bislang ungerecht verteilt. Die baltischen Staaten bekämen gerade einmal 40 bis 50 Prozent des EU-Durchschnitts. Bis 2020 soll eine „faire Umverteilung“ erfolgen. Für Bauer Schwarz sind das keine guten Aussichten.

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