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Die Mitarbeiter von Air Berlin sollen für zwei Jahre auf fünf Prozent Gehalt verzichten - der Konzernvorstand macht es schon einmal vor.

© Reuters

Air Berlin: Gewerkschaften lehnen Gehaltsverzicht ab

Die Gewerkschaften haben verschnupft auf den angeblichen Wunsch des neuen Air-Berlins-Chefs Wolfgang Prock-Schauer reagiert, wonach alle Mitarbeiter auf fünf Prozent ihres Gehalts verzichten sollen. Die Börse aber mag den neuen Mann um so lieber.

Nach anderthalb Jahren Sanierungsstress bei Air Berlin scheint bei Mitarbeitervertretern eine Schmerzgrenze erreicht zu sein. Sie wollen das Tempo, das der Vorstand unter dem neuen Chef Wolfgang Prock-Schauer nochmal verschärft hat, offenbar so nicht mitgehen.

Prock-Schauer will von allen Tarifmitarbeitern fordern, dass diese zwei Jahre lang auf fünf Prozent ihres Gehaltes verzichten. Er selbst und seine vier operativ tätigen Vorstandskollegen würden auf zehn Prozent ihrer Bezüge verzichten, war am Wochenende in Zeitungen zu lesen. Vertreter von Gewerkschaften zeigten sich am Montag überrascht davon, dass sie bisher nicht direkt über derartige Pläne informiert worden sind. Air Berlin mochte der Vorschlag auch am Montag nicht kommentieren.

„Der Vorstand darf gerne verzichten. In der Belegschaft aber können wir keine Bereitschaft erkennen, Abstriche bei Gehaltsbestandteilen zu machen“, sagte Christoph Schmitz, Sprecher der bei Air Berlin am stärksten verankerten Gewerkschaft Verdi dieser Zeitung. „Es wird ja auch kein Vermieter bereit sein, seinem Mieter Miete zu erlassen, nur weil der bei Air Berlin arbeitet.“

Offiziell habe das Unternehmen die Forderung nach Gehaltsverzicht bisher noch nicht erhoben – auch habe die Geschäftsführung bisher nicht dargelegt, wie sie sich den vor einer Woche angekündigten Abbau jeder zehnten Stelle konkret vorstelle. Schmitz wies darauf hin, dass etwa zwei Drittel der insgesamt 9300 Beschäftigten von Air Berlin tarifgebundene Arbeitsverträge hätten. Für sie immerhin gelte die vereinbarte Beschäftigungssicherung bis Ende des Jahres.

Überhaupt sei auch nicht klar, wie ernst die Lage tatsächlich sei. „Üblicherweise geben Unternehmen, die derartig tiefgreifende Forderungen stellen, einen tiefergehenden Einblick in die Geschäftszahlen. Das ist hier bisher nicht erfolgt“, erklärte Schmitz. „Einfach zu sagen, ’Uns geht es nicht gut’, genügt uns nicht.“ Zudem müsse ein Unternehmen, um überhaupt ins Gespräch mit den Arbeitnehmern zu kommen, ein schlüssiges Sanierungskonzept vorlegen. „Allein Personalabbau und Streckenstreichungen anzukündigen, ist noch kein Konzept“, sagte der Verdi-Sprecher. Doch auch wenn konkret verhandelt werde, müsse klar sein: „Einen Gehaltsverzicht und betriebsbedingte Kündigungen zusammen wird es mit uns nicht geben.“

Ähnlich sieht man das bei der Unabhängige Flugbegleiter Organisation (Ufo) fürs Kabinenpersonal, die zwar bisher nicht als offizieller Tarifpartner bei Air Berlin zugelassen ist, die Vorgänge aber sehr genau beobachtet – und einen Vergleich zu der Struktur bei Air Berlins großem Konkurrenten Lufthansa ziehen kann. Erst vergangenen Sommer hatte Ufo mit mehreren Streikwellen Lufthansa empfindlich getroffen. „Air Berlins Mitarbeiter in der Kabine verdienen, je nach Vertrag, noch einmal 30 bis 50 Prozent schlechter als ihre Lufthansa-Kollegen“, sagte Verhandlungsführer Nicoley Baublies. Insofern würde er Air Berlins Mitarbeitern auch nicht raten, einfach fünf Prozent Gehaltsverzicht „nach dem Prinzip Rasenmäher“ zu akzeptieren.

Bei Lufthansa hätten Mitarbeiter fünf Prozent weniger Gehalt akzeptiert – aber von einem höheren Niveau kommend, zeitlich befristet und bei entsprechend reduzierter Arbeitszeit. „Das wird sich auf Air Berlin aber sicher nicht eins zu eins übertragen lassen“, sagte Baublies. Zudem stecke Air Berlin wegen offenkundiger Managementfehler in der Krise. Gleichwohl wäre seine Gewerkschaft offen, innovative Tarifmodelle mitzutragen, um das Unternehmen zu retten.

Der Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler hatte sich bereits vergangene Woche, als die Personalkürzungen bekannt wurden, skeptisch über die Bereitschaft der Gewerkschaften geäußert, weitere harte Schnitte mitzutragen. „Auch bei der Pilotengewerkschaft Cockpit konnten wir das bisher nicht beobachten“, sagte Pieper. Viele andere Anleger scheinen gleichwohl von den Sanierungsplänen des neuen Air-Berlin-Chefs angetan. Die Aktie legte seit dem Antritt Prock-Schauers vor zwei Wochen um 36 Prozent zu, allein am Montag wieder um gut drei Punkte auf 2,03 Euro. Das war der höchste Kurs seit Mai 2012.

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