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Ulf Hüttmeyer (rechts), hier mit Air-Berlin-Chef Joachim Hunold, ist seit 2006 Finanzvorstand der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft.

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Air Berlin in der Krise: Finanzvorstand Hüttmeyer: "Viele Faktoren haben gegen uns gearbeitet"

Ulf Hüttmeyer, Finanzvorstand der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft Air Berlin, über Krisen, Kunden und Kerosin.

Herr Hüttmeyer, wie kritisch ist die Situation bei Air Berlin?

Gar nicht kritisch. Gleichzeitig will ich aber nicht verschweigen, dass das Jahr 2010 durchaus ein bisschen besser hätte laufen können. Aber es gab viele externe Faktoren, die gegen uns gearbeitet haben. Auch das erste Quartal 2011 sieht nicht ganz so gut aus, was insbesondere der Krise in Nordafrika geschuldet ist. Aber die Vorausbuchungen sehen besser aus.

Sie sind weiterhin zuversichtlich, 2011 ein positives Ergebnis vor Steuern und 2012 Gewinn zu erzielen?

Ich sehe derzeit keinen Anlass, daran zu rütteln. Natürlich stets unter der Voraussetzung, dass die Risiken beherrschbar bleiben. Wenn beispielsweise die Lage in Ägypten weiter so bleibt und die Sommersaison in Ägypten schwach verläuft, dann müssen wir sehen, was das für Auswirkungen auf unser Geschäft hat.

Ihre Pläne sehen vor, in diesem Jahr 100 Millionen Euro einzusparen. Wie soll das gehen?

Wichtiges Element unseres Effizienzprogramms sind zum Beispiel die Nachverhandlungen mit Flughäfen, Zulieferern etc. Wir werden zudem einige Flugzeuge aus der Flotte nehmen und jede einzelne Kostenposition nochmals in Hinblick darauf prüfen, wo wir besser und auch produktiver werden können.

Ist Air Berlin in Ihren Augen derzeit ein gesundes Unternehmen?

Das ist eine Frage des Maßstabs. Wenn Sie sagen, dass ein gesundes Unternehmen ein Unternehmen ist, das über fünfzig Prozent Eigenkapitalquote hat, dann muss meine Antwort Nein lauten. Aber ich würde niemals sagen, dass wir ungesund sind. Die Anleihe, die wir beispielsweise diese Woche an den Markt gebracht haben, wurde bereits einen Tag nach Platzierung wegen Überzeichnung geschlossen. Das ist doch ein positives Signal.

Das heißt aber auch, es fehlen noch einige Schritte zur vollständigen Gesundheit?

Wir sind stark gewachsen. Das geschah primär über Akquisitionen, weil es sonst keine Slots in Deutschland gab. Nach der LTU-Akquisition im Jahr 2007 sind wir gut angetreten und haben auch 2008, das ein Ölpreis-Krisenjahr war, sehr gut gemeistert. Schauen Sie sich mal an, was andere Airlines 2009 produziert haben. Wir hatten im Vergleich zum Wettbewerb gerade mal neun Millionen minus. Wo andere Airlines im Geschäftsreisesegment stark abgerutscht sind, war unser ausbalanciertes Geschäftsmodell durchaus hilfreich, um durch die Rezession zu kommen. Jetzt werden wir vor allem am Jahr 2010 gemessen – ein Jahr, in dem viele externe Einflüsse aktiv waren, die uns ein wenig mehr betroffen haben als andere.

Aber die Bedingungen sind für alle gleich. Warum ist Air Berlin von diesen Ereignissen immer etwas stärker betroffen?

Das kann man so grundsätzlich nicht sagen. 2009 hat es andere stärker getroffen als uns. 2010 war das Problem, dass wir ein größeres touristisches Portfolio als andere Airlines haben, die eher auf Langstrecke und Geschäftsreiseverkehr ausgerichtet sind. In diesen Segmenten sind die Nachwirkungen der Aschewolke geringer gewesen als im touristischen Bereich.

Haben Sie da im Rückblick alles richtig gemacht?

Vielleicht wäre es besser gewesen, mit höheren Preisen in den Markt zu gehen, um die Verluste aus der Zeit der Vulkanasche auszugleichen, anstatt zu versuchen, mit tieferen Preisen die Nachfrage wieder zu stimulieren. Aber keiner hatte Erfahrung damit, was passiert, wenn man sechs Tage gar nicht oder nur sporadisch fliegen kann und der Kunde verunsichert ist. Im Nachhinein ist es dann immer einfach, alles besser zu wissen. Aber ich schließe mich der Meinung unseres Vorstandschefs Joachim Hunold an: Im letzten Jahr haben wir drei Euro pro Passagier weniger verdient, das hat uns 100 Millionen gekostet. Das hätte auch weniger sein können.

Analysten sagen: In der nächsten Krise wird es für Air Berlin sehr kritisch, bis hin zur Übernahme. Was halten Sie dagegen?

Natürlich gibt es Leute, die sagen: Die Marktkapitalisierung von Air Berlin ist noch nicht hoch genug. Dann ist die Schlussfolgerung relativ schnell: Air Berlin ist ein Übernahmekandidat. Dagegen ist heute aber kein Unternehmen mehr gefeit. Schauen Sie sich an, was mit Hochtief passiert ist. Das kann heute jedem Unternehmen so gehen, egal ob es ein paar hundert Millionen oder Milliarden wert ist.

Es gibt aber auch Kritik am Geschäftsmodell an sich, Air Berlin habe zu wenig Profil, weil es von allem ein bisschen sei.

Das Geschäftsmodell von Air Berlin ist ausgewogen. Wir haben im Geschäftsreisesegment Fuß gefasst, insbesondere innerhalb Deutschlands. Da fokussieren wir weiter das Wachstum, auch bei Individualbuchungen. Das Geschäftsreisesegment wird im Zuge der One-World-Integration nochmals deutlich an Profil gewinnen. Wir haben hohe Sympathiewerte und ein ordentliches Preis-Leistungs-Verhältnis.

Zusätzlich zur neuen Luftverkehrssteuer verursachen steigende Kerosinpreise Mehrkosten von 180 Millionen Euro. Wie soll das ausgeglichen werden?

Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen und müssen die gestiegenen Kosten über die Preise an unsere Passagiere weitergeben. Das ist das Schwierige an einem Jahr wie 2011. Für die Erhöhung der Kerosinzuschläge hat jeder halbwegs Verständnis, weil der Endverbraucher an den Tankstellen selbst den Anstieg der Treibstoffkosten merkt. Aber mit der Luftverkehrsabgabe wird Fliegen jetzt deutlich teurer.

Das Gespräch führte Anke Myrrhe

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