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Airbus-Krise: Debatte um EADS-Beteiligung hält an

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos hat sich gegen eine Beteiligung des Bundes am Luftfahrtkonzern EADS ausgesprochen. Nach einem Medienbericht will die KfW 7,5 Prozent übernehmen.

Berlin - Die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) werde eine Beteiligung von 7,5 Prozent übernehmen, wovon das Land Hamburg einen Teil kaufen will, berichtete der "Spiegel". "Hamburg ist bereit, sich an EADS zu beteiligen", sagte Bürgermeister Ole von Beust (CDU) dem Magazin. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) wandte sich gegen einen Einstieg des Bundes und warnte, eine Beteiligung der KfW werde die Sanierung erschweren. Vertreter von Gewerkschaften, Arbeitgebern und der FDP plädierten für eine zeitweise staatliche Beteiligung.

Der deutsch-amerikanische Autokonzern Daimler-Chrysler plant, seinen Anteil an dem europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern von derzeit 22,5 Prozent auf 15 Prozent zu verringern. Der zu veräußernde Anteil von 7,5 Prozent hat nach derzeitigem Stand einen Wert von 1,3 Milliarden Euro. Die KfW verfügt laut "Spiegel" über genügend flüssige Mittel, um den Anteil zu bezahlen. Die Verhandlungen mit Daimler-Chrysler sollen demnach in Kürze abgeschlossen werden. Die "Berliner Zeitung" berichtete, Glos wolle am Montag mit der Daimler-Chrysler-Spitze über das EADS-Aktienpaket des Konzerns sprechen.

Glos mahnt Daimler-Chrysler zur Verantwortung

Glos sagte der "Bild am Sonntag", die Restrukturierung und Sanierung von Airbus müsse "unter industrieller Führerschaft" erfolgen. Der Minister mahnte den Konzern Daimler-Chrysler, "unternehmerische Verantwortung" zu zeigen. Industrielles Engagement könne nicht nur "zu Zeiten des Sonnenscheins gelten".

Dagegen plädierte Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt (CSU) dafür, dass Bund und Länder notfalls die EADS-Anteile von Daimler-Chrysler aufkaufen sollten. "Bei der dominierenden Rolle der EADS in der Wehrtechnik muss deutscher Einfluss in diesem Unternehmen gesichert bleiben. Notfalls durch ein vorübergehendes Engagement der öffentlichen Hand", sagte der CSU-Politiker der "Bild"-Zeitung".

Sommer für zeitweilige Staatsbeteiligung

DGB-Chef Michael Sommer sagte der Chemnitzer "Freien Presse", angesichts der europäischen Dimension und der amerikanischen Konkurrenz in der Luftfahrtindustrie befürworte er, dass sich der Bund über die KfW "zeitweise" beteilige. Das dürfe aber auf keinen Fall auf Dauer sein. Der Staat könne nicht immer einspringen, wenn die Manager versagten. DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki sagte der "Berliner Zeitung", eine Beteiligung des Bundes sei "im Interesse der Beschäftigten und darf jetzt nicht an ordnungspolitischen Glaubenssätzen scheitern". Die europäische Luft- und Raumfahrtindustrie würde es "ohne Industriepolitik nicht mehr geben". IG-Metallchef Jürgen Peters forderte in der "Welt am Sonntag" eine staatliche Beteiligung.

DIHK-Chefvolkswirt Axel Nitschke sagte der "Berliner Zeitung", er halte "grundsätzlich den Einstieg eines Staates bei einem Privatunternehmen für falsch. Aus rüstungspolitischen Gesichtspunkten ist es aber verständlich, dass die Regierung in Erwägung zieht, sich bei EADS zu engagieren". Ein Unternehmen, das einen Großteil der deutschen Rüstungsaufträge erhalte, müsse eine gesicherte Eigentümerstruktur aufweisen. Voraussetzung für eine Beteiligung der Bundesregierung wäre aber "ein klarer Plan zum späteren Weiterverkauf der Anteile", sagte der Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- und Handelskammertags.

Der niedersächsische Finanzminister Walter Hirche (FDP) sprach sich dafür aus, die staatlichen Beteiligungen am Airbus-Mutterkonzern insgesamt zu reduzieren. Bis dies erfolge, sei ein deutsches Engagement aber vertretbar, sagte er im Deutschlandfunk. Auf jeden Fall müsse verhindert werden, dass zusätzliche Anteile von EADS in die französische Hand fielen. Dies ginge zu Lasten deutscher Arbeitsplätze.

Kleinaktionäre: Staatseinstieg wäre "Katastrophe"

Für die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) wäre ein möglicher Einstieg des Bundes bei EADS "eine ordnungspolitische Katastrophe". "Das eigentliche Ziel der Bundesregierung müsste es sein, den Einfluss des französischen Staates auf EADS zurückzudrängen", sagte SdK-Sprecher Michael Kunert dem Tagesspiegel am Sonntag. "Bei Airbus und EADS sollten betriebswirtschaftliche und keine politischen Entscheidungen getroffen werden." Der Einfluss der Politiker habe dazu geführt, dass die Produktionskosten jetzt so hoch seien. "Es ist nicht einzusehen, warum die Aktionäre jetzt die Zeche zahlen sollen", kritisierte Kunert.

Auch Branchenexperten raten ab. Ein Engagement des Staates bei EADS sei "extrem kritisch", sagte Marc Förstemann, Luftfahrtexperte bei AT Kearney, dem Tagesspiegel am Sonntag. "Das könnte den Streit mit Boeing über Subventionen erneut anfachen." Es gebe aber Alternativen. "Für Pensionsfonds wäre EADS als sicherer und - Bereinigung des A380 Debakels - wertstabiler Konzern eine interessante Sache." Auch mögliche Partner aus der Industrie dürften Förstemann zufolge interessiert sein.

Auch der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Grossbongardt hält wenig von einem Staatseinstieg. "Wenn die Politik noch mehr Macht bekommt, ändert sich nichts an der unwirtschaftlichen Airbus-Struktur, das wäre fatal." Die hohe Zahl der Standorte und die Doppelstrukturen blieben bestehen. "Airbus muss vor allem die Fertigungstiefe reduzieren und schlanker werden." Derzeit produziere man noch Bauteile selbst, "die an jeder Ecke zu kaufen sind", sagte er. Hier sei Boeing das weltweite Vorbild. "Die kaufen Komponenten rund um den Erdball ein." Um dahin zu kommen, "müssen sich die Politiker endlich zurückziehen". Bis Airbus ähnlich effizient aufgestellt sei wie die US-Konkurrenz, vergehen "mindestens acht bis zehn Jahre".

Viele Mittelständler klagen über Finanzierungsprobleme

Von der Airbus-Krise sind auch die deutschen Zulieferer betroffen. Leidtragende seien in erster Linie Firmen, die speziell für ein A 380-Projekt gegründet wurden oder Zulieferer aus dem dritten oder vierten Glied, die nicht durch vertragliche Abnahmeverpflichtungen abgesichert sind. "Viele Mittelständler haben Finanzierungsprobleme", sagte Uwe Gröning, geschäftsführender Vorstand beim Branchenverband Hanse Aerospace, dem Tagesspiegel am Sonntag, Zudem sei die Krisenkommunikation des Flugzeugherstellers schlecht.

"Die Entwicklungskosten werden über die Serienproduktion amortisiert, jetzt erfolgt der Kapitalrücklauf Jahre später", sagte Klaus Stölting von der Firma ESW-Extel Systems in Wedel der Zeitung. Das Unternehmen stellt Küchenwagen-Lifte für den A380 her. Klaus-Peter Glinicki, Geschäftsführer der Inkutec Aircraft GmbH in Barsbüttel, die Teile der Bordküche baut, schließt Kurzarbeit für seine 20 Fachkräfte nicht aus. "Wir stehen ziemlich im Regen", klagt auch Bettina Mühlenberg-Lange, Geschäftsführerin der Hamburger Albert Mühlenberg Apparatebau. Rund 7,5 Millionen Euro hat die Firma als Vorleistung in eine neue Fertigungsstätte, in Maschinen und Software investiert. 40 zusätzliche Arbeitsplätze sind entstanden. Ob sie jetzt in Gefahr sind, werde das letzte Quartal zeigen. "Wir müssen kämpfen, damit wir andere Aufträge hereinbekommen", sagt die Chefin. (tso/AFP/Tsp)

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