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Wirtschaft: Airbus-Mutter versucht es mit Harmonie

Der Führungsstreit bei EADS scheint beigelegt – doch Konkurrent Boeing trumpft mit einem neuen Flugzeug auf

Le Bourget/Berlin - Immerhin ist die positive Nachricht noch rechtzeitig vor dem Ende der Luftfahrtmesse gekommen: In der kommenden Woche werde eine Entscheidung über die neue Führungsriege bei dem europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS fallen, sagte der Chef des Großaktionärs Daimler-Chrysler, Jürgen Schrempp, am Freitag. Damit dürften die schon lange designierten, aber noch nicht offiziell ernannten neuen Chefs erleichtert sein. Tom Enders, bisher Militärchef bei EADS, und Noël Forgeard, bisher Vorsitzender der EADS-Tochter Airbus hätten bereits Anfang Juni ihren Job antreten sollen .

Auf der weltgrößten Luftfahrtmesse musste EADS ohne Führung antreten, Forgeard und Enders sagten ihre Pressekonferenz ab. Leicht genervt lächelte Enders in Le Bourget, wenn er gefragt wurde, wann man ihm denn endlich gratulieren dürfe. Vor Weihnachten werde eine Entscheidung nicht fallen, antwortete er. Genaueres wagte er noch am Donnerstag nicht zu sagen: „Da bin ich konservativ geworden.“

Der Unmut, den man hinter den Kulissen bei EADS in Le Bourget spüren konnte, dürfte jetzt vorbei sein. Grund für die langen Verhandlungen war unternehmensnahen Kreisen zufolge vor allem die Hartnäckigkeit von DaimlerChrysler. Der Großaktionär wollte verhindern, dass sich die Machtbalance bei EADS weiter zugunsten der Franzosen verschiebt. Zweiter Großaktionär ist der Lagardère-Konzern zusammen mit dem französischen Staat.

Die Franzosen hätten die Situation nutzen wollen, um ihren Einfluß weiter auszubauen – vor allem Noël Forgeard habe seine Position stärken wollen, heißt es in Kreisen. Der Deutsche Gustav Humbert, bisher Forgeards Vize, soll jetzt wie geplant die Airbus-Spitze übernehmen. Die deutsche EADS-Seite geht davon aus, dass Schrempp einen „Riesenjob“ gemacht habe, heißt es.

EADS steht am Ende der Messe, die zum traditionellen Kräftemessen mit dem Hauptkonkurrenten Boeing genutzt wird, gut da. Denn während die Amerikaner immer noch nach einem Ersatz für ihren Ex-Chef Harry Stonecipher suchen, der wegen einer konzerninternen Liebesaffäre ausgeschieden ist, haben die Europäer offenbar ihre Führungskrise beigelegt. Und auch bei den Aufträgen für Zivilflugzeuge konnten sie punkten. Sie verbuchten zwei Drittel der Aufträge, Boeing bekam nur ein Drittel. Größter Triumph war die Bestellung von 100 A320-Maschinen durch die indische Billigfluglinie Indigo .

Ohnehin hatte Airbus auf der Messe einen Starauftritt: Das neue Großraumflugzeug A380 wurde in Le Bourget erstmals der breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Jeden Mittag startet das zweistöckige Testflugzeug auf der täglichen Flugshow. Selbst das Fachpublikum war fasziniert. Sobald der A380 abhob, rissen sich die Einkäufer von Verteidigungsministerien und Luftfahrtgesellschaften von Kampfhubschraubern, Düsenjägern oder gar der Boeing-777 los und guckten in den Himmel. Innendrin sieht das Flugzeug zwar noch sehr unfertig aus. Rohre und Kabel laufen an Decken und Wänden entlang, Holzwolle rankt sich um die Fenster. Sitzreihen gibt es noch nicht, stattdessen stehen eiserne, mit Wasser gefüllte Kanister auf dem Boden, sozusagen als Passagierersatz.Das Flugzeug ist gigantisch – allein auf der Treppe im Inneren des A380, die zur ersten Etage führt, können sechs Menschen nebeneinander gehen.

Auch wegen des A380, dem bisher weltweit größten Flugzeug, hat Airbus Boeing die Führungsrolle vor zwei Jahren abgenommen. Aber der Wettkampf geht weiter. Ein paar Dutzend Meter vom A380 entfernt hat auch Boeing ein Flugzeug ausgestellt – die 777, die sich ebenfalls gut verkauft. Aber um die 777 geht es nicht, sondern um ein Flugzeug, das es bislang nur auf dem Papier gibt: den 787 Dreamliner, ein mittelgroßes Langstreckenflugzeug, das 2008 ausgeliefert werden soll.

Einen ganzen Pavillon haben die Amerikaner in Le Bourget aufgebaut, um zu zeigen, wie sie aufholen wollen: Mit neuer Technologie soll der Dreamliner besonders leise und billig sein, vor allem aber auch komfortabler für die Passagiere. Dadurch, dass der gesamte Rumpf aus Kunststoff gemacht ist, kann der Luftdruck in der Kabine niedriger gehalten werden – die Luft ist feuchter und angenehmer. „Wir werden 2005 dafür noch ein ganzes Bündel Aufträge erhalten“, sagt Marlin Dailey, Vizeverkaufschef für Europa bei Boeing. Bisher sind es 266.

Airbus hat eine solche Technologie noch nicht. Die Europäer haben zwar reagiert: Sie wollen den A330 weiterentwickeln, der unter dem Namen A350 frühestens 2010 ausgeliefert werden soll. Eine komplett neue Maschine, so wie bei Boeing, wird es nicht geben. Nach ihrem A380-Höhenflug war die EADS-Führung vom Konkurrenten mit dem 787 überrascht worden, sagen Insider. Dafür spricht auch, dass der Start des Programms für den A350 auf den Herbst verschoben wurde. Bei dem A380 seien mehr Ingenieure eingebunden gewesen als geplant, begründet Enders die Verzögerung. „Wir haben im Moment viel an den Hacken“, sagt er.

Die Verspätung hat aber auch mit dem Handelsstreit zwischen Europa und den USA zu tun. Die Amerikaner sind wegen der staatlichen Hilfen für den A350 vor das WTO-Gericht gezogen. Das Flugzeug könne auch ohne Subventionen gebaut werden, versichert Enders – wenn es, wie für Boeing, indirekte Hilfen gebe. Bisher gibt es 95 Bestellungen für den A350.

Ansonsten gibt man sich bei EADS gelassen. Es sei eben normal, dass sich das „Spiel auch wieder dreht“, sagte Enders. Langfristig gehe er davon aus, dass sich Airbus den Markt mit Boeing je zur Hälfte teilen werde. Beide sind optimistisch, Ihre Märkte der Zukunft seien Indien, China und der mittlere Osten.

Flora Wisdorff

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