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Abgestraft. Für Vorstandschef Kay Hafner und die Aufsichtsräte der schwer angeschlagenen Kette gab es am Mittwoch verbale Prügel bei der Hauptversammlung. Foto: dpa

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Wirtschaft: Aktionäre meutern, aber retten Praktiker

Die Anteilseigner der Baumarktkette sind sauer auf den Vorstand. Die Firma ist kaum noch etwas wert.

Hamburg - Rettung in letzter Minute: Die beiden Großaktionäre der kriselnden Baumarktkette Praktiker haben nach stundenlangem Streit doch noch grünes Licht für ein Sanierungskonzept signalisiert. Deren Fondsmanagerin Isabella Krassny sagte bei der Hauptversammlung am Mittwochabend in Hamburg: „Ich habe mich zu dem Kompromiss entschlossen, damit der Fortbestand des Unternehmens auf keinen Fall gefährdet ist.“ Zuvor hatte der Vorstand von einer drohenden Insolvenz gesprochen. Eine dringend benötigte Kapitalspritze des US-Investors Anchorage über 85 Millionen Euro muss nun noch ausverhandelt werden.

In einer konfliktreichen Hauptversammlung war eine wesentliche Forderung der Großaktionäre erfüllt worden: Zwei Aufsichtsräte treten zurück. Und für den Vorstand sollen weitere Mitglieder gesucht werden, für die Sparten Einkauf sowie Vertrieb. Die Managerin, die den zypriotischen Finanzfonds Maseltov (zehn Prozent Anteil) sowie die österreichische Privatbank Semper Constantia mit rund fünf Prozent Anteil vertritt, hatte das Sanierungspaket zunächst als inakzeptabel abgelehnt. Praktiker schrieb 2011 im Konzern rund eine halbe Milliarde Euro Verlust. In den Aufsichtsrat sollen zwei Mitglieder einziehen, die die Fondsmanagerin vorgeschlagen hatte. Namentlich sind dies Armin Burger vom Aufsichtsrat der Vivatis AG in Linz (Österreich) sowie der Aufsichtsratschef der Privatbank Semper, Erhard Grosnigg. Aus dem Aufsichtsrat scheidet Kay Hafner aus, der zur vorübergehenden Führung an die Praktiker-Spitze delegiert worden war. Auch EbbePelle Jacobsen geht.

Fondsmanagerin de Krassny setzt nun auf „ihre“ beiden Aufsichtsräte bei den Verhandlungen über das Anchorage-Darlehens, die die Max-Bahr-Märkte als Sicherheit haben wollen. Die Kontrolleure sollen sicherstellen, dass Max Bahr mit einem Unternehmenswert von 112 Millionen Euro nicht verloren geht. „Ich bin immer noch gegen Anchorage“, sagte de Krassny. Aber ohne ihre Zustimmung hätte Anchorage den Vertrag gleich platzen lassen. „Ich bin gezwungen worden zuzustimmen.“ Nach ihrem Willen soll auch Vorstandschef Hafner ersetzt werden – von einem früheren Obi-Baumarktchef Andreas Sandmann. „Er ist vom Fach“, sagte de Krassny.

Vor der Generaldebatte hatten die Vorstände offen von der Gefahr einer Insolvenz gesprochen, sollten die Aktionäre ihr Rettungskonzept ablehnen. Die Anteilseigner reagierten aufgebracht, warfen dem Management Erpressung vor und stellten Rücktrittsforderungen. Der Schlagabtausch zog sich bis in den Abend hin. Die Heimwerkermärkte brauchen nach Angaben des Vorstands insgesamt mehr als 200 Millionen Euro für die Sanierung. Interimschef Kay Hafner sagte: „Es geht um die Zukunft, oder noch konkreter: Es geht ums Überleben.“ Wegen der Drohkulisse sprachen Aktionäre von Erpressung, allen voran Isabella de Krassny. „Wir lassen uns nicht erpressen“, rief sie. „Es ist grob fahrlässig, dass wir seit einem Jahr keinen Vorstand haben, der etwas vom Geschäft versteht.“ Wie sie forderten Anteilseigner den Rücktritt des Aufsichtsrats – und des Vorstands, unter anderem wegen Missmanagement, Planlosigkeit, ungenügender Informationen, mangelnder Transparenz.

Vorstandschef Hafner plant, 120 der 234 Praktiker-Märkte auf die angesehenere Schwestermarke Max Bahr umzuflaggen. Max Bahr (aktuell 78 Filialen) solle zur „Hauptvertriebslinie in Deutschland“ werden, sagte Hafner. Auch die Marke Praktiker solle – mit einer Strategie „Weg vom Preisaktionismus“ zukunftsfähig werden. Sie ist wegen einer verfehlten Rabattstrategie mit Slogans wie „20 Prozent auf alles - außer Tiernahrung“ ins Straucheln geraten. Aktuell hat Praktiker rund 7700 Arbeitsplätze, Max Bahr knapp 2900. Rund 8300 kommen im Ausland hinzu.

Julia Ranniko, Almut Kipp

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