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Wirtschaft: Alan Greenspan spricht, und die Welt zittert

Der mächtige US-Notenbankpräsident soll noch nicht in den Ruhestand – wenn es nach George W. Bush geht

Washington (fo/pf). Der „König“ des Geldes soll bleiben. Kaum haben WallStreet-Akteure den Irak-Krieg als marktbestimmendes Thema abgehakt, steht ein neues im Mittelpunkt: Alan Greenspan. Das Alter des Vorsitzenden des Federal Reserve Board schreckt niemanden. Der 77-jährige darf, wenn er will, den Posten für weitere vier Jahre behalten. So will es George W. Bush.

Kaum hatte der US-Präsident den Satz „ich glaube, Alan Greenspan sollte ein weiteres Mandat bekommen” ausgesprochen, sprangen an der Wall Street die Börsenbarometer nach oben. Der Leitindex Dow Jones gewann 156 Punkte oder 1,9 Prozent. Regierungsbeamte sagten anschließend, Bush werde Greenspan wahrscheinlich noch in diesem Jahr neu ernennen.

Wer ist dieser Mann, dessen vermutliche Vertragsverlängerung allein in der Lage ist, die Finanzmärkte zu bewegen? Nüchtern betrachtet übt er in seiner Funktion als Vorsitzender des Federal Reserve System (Fed), das 1913 geschaffene Zentralbanksystem, großen Einfluss auf die Zinspolitik in den USA aus. Vier Präsidenten hat er bislang gedient. Von Ronald Reagan 1987 ernannt, hat er die USA durch zwei Rezessionen, einen Börsenboom und den längsten wirtschaftlichen Aufschwung in der Geschichte des Landes gesteuert.

Geprägt hat ihn vermutlich der „schwarze Montag“ zu Beginn seiner Amtszeit. Im Oktober 1987 stürzten die Kurse an einem Tag um 22 Prozent, das Gespenst der Depression ging um. Seitdem ist Greenspan bemüht, das Geflecht zwischen Staats- und Privatverschuldung, Ökonomie und Psychologie mit den Mitteln eines Notenbankchefs zu steuern. Mit Erfolg: Seine glasklaren Analysen werden weltweit beachtet, auch wenn ihnen zuweilen bei öffentlichen Auftritten wegen seiner nuschelnden Artikulation der Glanz fehlt. Aber das sind nur Äußerlichkeiten. Es gab Zeiten – vor allem während des Aktienbooms – da wurde jede Formulierungsnuance in seinen Vorträgen gewertet und gewichtet. Oft genügte ein kleiner Nebensatz, und die Börsen gerieten mächtig in Bewegung. In den Medien hatte Greenspan denn auch schnell seinen Ruf weg: „Greenspan spricht, und die Welt zittert“, titelte vor Jahren The European.

Ob Greenspan seinen Posten beibehalten wird, liegt nun ganz an ihm. Tritt er zurück, wäre er nach Ablauf seines Mandates im Juni nächsten Jahres 16 Jahre im Amt gewesen. Nur William McChesney Martin, der den Job 18 Jahre und neun Monate bis 1979 inne hatte, hätte es dann länger geschafft.

Der konservative Republikaner Greenspan verärgerte seine Parteifreunde Anfang des Jahres mit der Bemerkung, die von Bush vorgeschlagene Steuersenkung in Höhe von 726 Milliarden Dollar sei angesichts der wachsenden Haushaltsdefizite zu hoch und wahrscheinlich nicht notwendig für eine wirtschaftliche Erholung. Schon Bushs Vater hatte mit dem Fed-Chef nicht nur angenehme Erfahrungen gemacht: Er habe nicht genügend getan, um die Wirtschaft während der Präsidentenwahl in 1992 anzukurbeln. Bush Senior wurde abgewählt.

Doch sein Sohn machte bereits vor seinem Einzug ins Weiße Haus die gute Beziehungen zu Greenspan zur Priorität und fand seitdem nur lobende Worte für mächtigsten Notenbank-Chef der Welt.

Bush verfolgt mit seiner Unterstützung Greenspans natürlich in erster Linie politische Ziele. Er will Unsicherheiten an der Börse vermeiden, die von einem Wechsel an der Spitze der Notenbank ausgehen würde. Republikanische Wahlstrategen glauben, der Gesundheitszustand der Aktienbörse sei ein wichtiges Wahlkampfthema. Doch nicht alle Amerikaner teilen Bushs Begeisterung für Greenspan. In einigen Kreisen wird ihm vorgeworfen, er hätte zu wenig getan, um die Börsenspekulation und damit den Crash in 2001 zu verhindern.

Wenn Greenspan bleibt, wird er wahrscheinlich keine vier Jahre im Amt verharren. Denn er ist gleichzeitig Gouverneur, und Gouverneure können per Gesetz nur auf ein einziges 14-Jahresmandat ernannt werden. Greenspans Mandat endet am 30. Januar 2006. Wollte er länger bleiben, müsste das Gesetz geändert werden. So viel Einfluss wird ihm nicht zugetraut.

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