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Wirtschaft: Alarm an der Kasse

Greenpeace warnt vor Gift in Kassenbons. Doch die Fakten sind dünn. Erweist die Umweltorganisation den Verbrauchern einen Bärendienst?

Berlin - Wenn Greenpeace vor Gefahren warnt, werden viele Menschen hellhörig. Giftiges Bisphenol in Kassenzetteln – so lautet eine aktuelle Botschaft der Umweltschutzorganisation. Die Chemikalie soll unter anderem für Missbildungen im Gehirn und an Geschlechtsorganen verantwortlich sein und Diabetes auslösen können. Bei der Produktion von Säuglingsflaschen ist sie verboten, doch bei Edeka und Kaiser’s soll der Weichmacher in den Kassenbons stecken. Alarm!

Doch nicht mehr lange. Jutta Tappe von der Tengelmann-Gruppe, zu der auch Kaiser’s gehört, verkündet: „Wir werden bis spätestens Ende des Jahres auf bisphenolfreies Papier umgestellt haben.“ Die andere Variante des Krisenmanagements probiert Edeka. Schon seit April liefere man keine bisphenolhaltigen Papierrollen mehr an die Märkte, jetzt gebe es höchstens noch Restbestände, sagte Edeka-Sprecherin Kerstin Hastedt.

Doch vielleicht ist die Aufregung ohnehin übertrieben: Die wissenschaftliche Studie, auf die sich Greenpeace stützt, besteht im Fall von Edeka aus einer einzigen Stichprobe, genommen am 21. Mai in Freiburg vom privaten Institut „For Care“. Der Toxikologe Gilbert Schönfelder von der Berliner Charité nennt das „keine gute wissenschaftliche Praxis“ – nur eine Probe reiche zur Risikobewertung nicht aus.

Wolfgang Hassenstein vom „Greenpeace Magazin“ sagt auf Anfrage, die Untersuchung solle als „Kassenzettel-Test“ verstanden werden: „Ähnlich wie die Stiftung Warentest arbeiten wir mit Stichproben.“ Als Erfolg können die Umweltschützer das aber eher nicht verbuchen, denn der Bisphenol-Branche kommt die dünne Faktenlage recht. Die Aufregung um den Stoff hält sie sowieso für übertrieben. Zur Bisphenol- A-Gruppe des Branchenverbands Plastics Europe gehört unter anderem Bayer Material Science. „Wenn Sie zu viel Fischöl trinken, wird Ihnen auch schlecht“, sagt Bayer-Sprecher Stefan Paul Mechnig, „Bisphenol-A ist in normalen Dosen ungefährlich für die Umwelt und den Menschen.“ Toxikologe Schönfelder stimmt dem allerdings nicht zu: Zumindest Bisphenol-A sei in vielen Studien so weit erforscht worden, dass es als potenziell gefährlich gelte. In der Bevölkerung fänden sich im Blut und im Urin so hohe Bisphenol-Werte, dass sie erklärungsbedürftig seien. „Kassenbons mit viel Bisphenol-A haben ihren Teil dazu beigetragen“, sagt er.Markus Fischer

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