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Wirtschaft: Alles im grünen Bereich

Neuer Wohnraum in vielen Preislagen ist begehrt – es locken Potsdamer Platz und Kulturforum

Der Blick von der Dachterrasse der Villa in der Clara-Wieck-Straße 11 ist exquisit. Im Herzen des Diplomatenparks zwischen Tiergarten und Landwehrkanal gelegen, eröffnet sich dem Betrachter hinter den Gärten und Bäumen ein Rundumpanorama der Stadt vom Fernsehturm über den Potsdamer Platz und die Neubauten am Köbis-Dreieck bis zu Oswald Ungers Häusern am Lützowplatz – und darüber hinaus. Aber auch in unmittelbarer Nachbarschaft bietet die Botschaft der Vereinten Arabischen Emirate mit ihrem orientalischen Schmuck einen schönen Blickfang.

„Ich würde diese Lage jederzeit einem Haus am Grunewald vorziehen“, sagt Alexander Harnisch, Geschäftsführer der Entwicklungsgesellschaft Diamona & Harnisch, die hier vier der zehn Stadtvillen gebaut hat. Bei Kaufpreisen ab 5000 Euro pro Quadratmeter oder einer Nettokaltmiete von rund 10 000 Euro für das 430 Quadratmeter große Penthouse in der von Haas Architekten entworfenen Villa wird die Lage aber für die meisten Berliner unerschwinglich bleiben. „In der Regel sind die Käufer und Mieter hier nur wenige Wochen im Jahr in Berlin“, sagt Harnisch. Die repräsentativen Wohnungen eignen sich aber auch für Topmanager und Botschaftsangestellte, die längerfristig in Berlin residieren wollen, wie er meint. „Das ist gerade der Reiz. Denn wer kann schon von sich behaupten, dass er im Grünen wohnt und dennoch abends zu Fuß in die Philharmonie gehen kann?“

Realistisch betrachtet, taugt dieses elitäre Quartier jedoch nicht dazu, das Herzstück eines neuen Kiezes zu sein. Dazu fehlen schlicht die Menschen und die unmittelbare Infrastruktur – die nächsten Einkaufsmöglichkeiten finden sich in den Potsdamer Platz Arkaden.

„Als man vor zehn Jahren den Streifen südlich des Tiergartens geplant hat, wollte man nicht nur Botschaften ansiedeln, sondern auch Wohnen. Und so musste der Liegenschaftsfonds hier ein Wohngebiet entwickeln“, sagt Ephraim Gothe, Baustadtrat des Bezirks Mitte. Dass es dann ein Luxuswohnprojekt geworden ist, liege daran, dass man damals reiche Leute nach Mitte locken wollte. „Wenn wir das heute noch mal entscheiden könnten, würden wir wahrscheinlich etwas anderes machen“, gibt er zu.

Auch wenn der Diplomatenpark also alles andere als ein Beitrag zu einer sozialen Stadt ohne Ghettos und Wohlstandsinseln ist, kann man die Häuser als Beitrag zur urbanen Baukultur bezeichnen. Denn nach dem Leitbild „Vielfalt in der Einheit“ durften sich hier zehn Planer an das Thema Stadtvilla wagen. Was dabei herausgekommen ist, sind zum Teil interessante Beispiele moderner Architektur mit großen Fensterfronten und zeitgemäßen Grundrissen, die irgendwo zwischen Loft und Wohnung angesiedelt sind.

Ein ganz anderes Projekt erstreckt sich dagegen am Gleisdreieck entlang der Flottwellstraße in Tiergarten Süd. Hier haben die Architekten und Baugruppenmoderatoren Andreas Stahl und Donat Kühne von der Vivico Real Estate zwei Grundstücke für mehrere Baugruppen erworben. Die Baugemeinschaft Polis in der Flottwellstraße 3 ist mit ihren 28 Einheiten fast fertig, während für die drei Metropolis Baugemeinschaften zwischen Lützowstraße und Pohlstraße noch bauwillige Familien für eine der 200 Wohnungen gesucht werden. Sie alle sollen dazu beitragen, das neue Quartier am künftigen Gleisdreieck-Park mit Leben zu füllen.

„Das ist ein Glücksfall für uns“, freut sich Baustadtrat Gothe. „Zum einen entstehen hier keine banalen Blockrandbauten, sondern zwölf Häuser von zwölf verschiedenen Architekten um einen gemeinsamen Park, der an zwei Stellen zur Straße hin offen ist. Zum anderen bringt das neue Leute ins Quartier, Familien, die bleiben und sich auch an den Schulen engagieren werden. Das sind integrative Schichten.“ Von Verdrängung kann also hier nicht die Rede sein, eher von Belebung. Denn die benachbarte Kurfürstenstraße mit ihrem bekannten Straßenstrich ist ein Sorgenkind im Ortsteil Tiergarten, ebenso wie die Potsdamer Straße, der es trotz der neuen Kunstszene an Aufenthaltsqualität fehlt. Daher erhofft sich Gothe, dass die Baugruppen das Viertel heben werden, ohne abzuheben.

Die Voraussetzungen dafür sind gut, denn nach den Vorstellungen der Projektsteuerer Stahl und Kühn sind neben den neuen Wohnungen auch ein Supermarkt und ein Café auf dem Metropolis-Gelände geplant. Hinzu kommt, dass die Wohnungen in der Baugemeinschaft mit Preisen zwischen 2000 und 2600 Euro pro Quadratmeter erschwinglich sind. Entsprechend gibt es auch schon etliche Interessenten. Der Realisation des ersten Bauabschnitts steht somit nichts im Weg.

Gegenüber, auf der Kreuzberg-Seite der Flottwellstraße, plant die Vivico ebenfalls neue Wohnungen, rund 250 sollen es werden. Gebaut wird noch nicht. Dagegen dreht sich über der Baustelle der Klarbau GmbH zwischen den beiden Baugemeinschaften an der Ecke zur Lützowstraße, seit einigen Wochen der Kran. Hier entstehen unter dem Projektnamen „Lützow Eins“ rund 60 Eigentumswohnungen im Standard KfW-Effizienzhaus 55. Nach Angaben der Ziegert Bank- und Immobilienconsulting, die das Bauvorhaben unter dem Label „urban & ökologisch“ vermarktet, waren schon drei Wochen nach Vertriebsstart im Oktober 2010 mehr als drei Viertel der Einheiten reserviert, was Geschäftsführer Nikolaus Ziegert nicht überrascht. Schließlich ist der Mitte-Boom noch lange nicht vorbei und Experten rechnen in Berlin bis 2020 mit einem Neubaubedarf von 60 000 Einheiten, am liebsten natürlich im Zentrum.

Kein Wunder also, dass Investoren die Filetstücke südlich des Potsdamer Platzes entdecken – trotz des schwierigen sozialen Umfelds. Und so ist Ephraim Gothe guter Dinge, was Tiergarten Süd betrifft. Gedanken macht er sich über den Spreebogen, nördlich vom Tiergarten. „Es wird eine Herausforderung sein, hier eine belebte Erdgeschosszone zu schaffen“, sagt er und meint damit die Regierungsgebäude, in deren Straßenfronten er gerne Gastronomie und Einzelhandel sehen würde.

Der Bezirk Mitte, zu dem Tiergarten seit 2001 gehört, gilt als Laboratorium für zeitgenössische Architektur und Städtebau. „Seit dem 11. September haben aber die Sicherheitsexperten hier das Sagen und verhindern das“, so Gothe und er fügt hinzu, dass der Spreebogen im Gegensatz zu anderen Ecken in Mitte eine völlige Neuerfindung ist, die nur in Teilen fertig ist. „Rund um den Hauptbahnhof kann man noch viel richtig, aber eben auch viel falsch machen.“ Das gilt wohl überall, wo gebaut wird.

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