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Windpark

© laif

Alternative Energien: Stadt des Windes

Der US-Bundesstaat Texas hat alternative Energien für sich entdeckt. Vorreiter ist die Kleinstadt Roscoe. Der deutsche Eon-Konzern ist an dem Projekt beteiligt.

Alles, so sagt der Volksmund, sei größer in Texas. Die Steaks. Die Cowboyhüte. Die Autos. Der Stolz ihrer Besitzer. Und der Einfluss der Industriegiganten und Ölbarone, die dazu beitrugen, der Region im Süden der USA einen weiteren Rekordstatus zu verleihen: Texas stößt so viel Kohlendioxid in die Atmosphäre aus wie kein anderer US-Bundesstaat. Und wäre „Big Country“ Texas eine Nation, stünde es derzeit auf Platz sieben der globalen Klimasünder.

Trotzdem weht ausgerechnet dort derzeit ein wahrhaftig kräftiger Wind des Wandels. Ein Beispiel für umweltpolitisches Umdenken ist die 1378-Einwohner-Stadt Roscoe im Westen des Bundesstaates. Einst eine gesichtslose Ansiedlung mit einer von geschlossenen Geschäften geprägten Hauptstraße, ist Roscoe heute auf dem besten Weg, zu einem der größten Windfarm-Zentren der Welt zu werden. Denn wohin das Auge in der näheren Umgebung von Roscoe auch schweift – die Landschaft ist großflächig mit Windrädern bebaut. „Wind City USA“ nennen die Bürger ihre Stadt mittlerweile, und das zu Recht: Das irische Energieunternehmen Airtricity, dessen amerikanischer Betriebsteil seit dem Herbst vergangenen Jahres zum Düsseldorfer Eon-Konzern gehört, arbeitet derzeit mit Hochdruck an der letzten Installationsphase von 640 Windrädern, die insgesamt 800 Megawatt Strom liefern sollen – genug, um rund 265 000 Haushalte zu beliefern.

Mehr als 400 Grundstücksbesitzer rund um die Stadt, die vor wenigen Jahren noch wertloses Brachland besaßen, verdienen jetzt kräftig: Die jährlichen Pachtgebühren, die der Windradbetreiber zahlt, liegen pro Turbine zwischen 5000 und 15 000 Dollar (3200 bis 9500 Euro). Und mancher Farmer hat inzwischen 20 der bis zu 135 Meter hohen Windräder auf seinem Land stehen.

„Wir haben den Wind einst verflucht, weil er unser Getreide beschädigt und das Land ausgetrocknet hat. Doch heute lieben wir den Wind“, sagt Landwirt Cliff Etheredge aus Roscoe. Der 66-Jährige gilt als einer der Windpioniere der Region, weil er zunächst eigenständig Windmessungen vornahm und dann andere Farmer davon überzeugte, Investoren anzusprechen. Im „Roscoe Wind Council“ sitzt er natürlich auch – eine noch junge Organisation, die Windenergie fördern und bei den wenigen noch skeptischen Bürgern populär machen soll.

Die Argumente sehen Etheredge und seine Council-Kollegen klar auf ihrer Seite. Im einst zum wirtschaftlichen Sterben verurteilten Roscoe gibt es erstmals seit Jahrzehnten wieder neue Arbeitsplätze, denn Turbinen müssen gewartet, die Energieproduktion muss verwaltet und die damit beauftragten Menschen müssen verköstigt werden. Und: Die Stromproduktion durch den Wind, der in den weiten Flächen um Roscoe oft mit konstanten 30 Stundenkilometern bläst, ist so gut wie schadstofffrei. Erstmals vergibt der „Wind Council“ in diesem Jahr ein Stipendium, um den Gedanken der Windenergie auch in die regionalen Schulen zu tragen. „Die jungen Menschen müssen die Chancen sehen, die damit verbunden sind“, sagt Etheredge.

Das ist ein gewaltiger Richtungswechsel in Texas, wo Erdöl und politische Macht stets eng verknüpft sind. So verdiente George Bush, der Ex-Präsident, sein Vermögen in der Ölindustrie des Bundesstaats, und sein Sohn George W., der amtierende Präsident, war von 1995 bis 2000 dort Gouverneur. Sein Nachfolger Rick Perry stellte bis vor kurzem noch das Phänomen der globalen Erwärmung in Abrede und lästerte, die größte Quelle von Kohlendioxid sei der Mund von Friedensnobelpreisträger Al Gore.

Doch immer mehr Texaner erkennen die Zeichen der Zeit – nicht nur im Städtchen Roscoe. Der US-Geschäftsmann und texanische Öl-Milliardär Thomas Boone Pickens plant derzeit einen Windpark, der die unübersehbaren Windräder von Roscoe vom Umfang her noch in den Schatten stellen soll. Der 80-Jährige will bis 2011 bis zu 2700 Windräder auf insgesamt 800 Quadratkilometern ebenfalls im Westen von Texas errichten. Das wäre die größte Windfarm der Welt.

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